Die G2 Kunsthalle zeigt unter dem Titel Lichtprobe die erste institutionelle Einzelausstellung von Jörg Ernert. Im Zentrum von Ernerts malerischem Schaffen stehen die intensive Auseinandersetzung mit real existierenden Orten und die Reduktion seiner Bildgegenstände auf wesentliche Charakterzüge. Seine Arbeit am kompositorischen Grundgerüst von Formen und Räumen ist geprägt von schnellen, gestischen Pinselstrichen. Formal bewegt sich Ernerts Malerei damit an der Grenze zwischen Figuration und Abstraktion. Die Ausstellung in der G2 Kunsthalle zeigt neben einer Auswahl an Werken aus dem Bestand der Sammlung Hildebrand auch neueste Arbeiten des Künstlers.
Als gebürtiger Leipziger (Jg. 1974) und Professor für Malerei an der Hochschule für Grafik und Buchkunst beschäftigt sich Jörg Ernert seit 2016 mit den Bühnen- und Proberäumen der Oper Leipzig. Die in der Ausstellung gezeigte Opernserie basiert auf Raumskizzen, die hinter den Kulissen entstanden sind. Dazu begleitete Ernert szenische Proben verschiedener Opernproduktionen. Der Fokus des Künstlers liegt jedoch weniger auf dem Bühnengeschehen, sondern auf der Anziehungskraft, die vom Ort selbst ausgeht.
In seinen Opernbildern betont Ernert die Vertikale und damit die enormen Raumhöhen und ungewöhnlichen Blickachsen, mit denen der Künstler während der Arbeit im Bühnenraum konfrontiert war. Die Dynamik und Größe des Ortes wird in den malerischen Prozess überführt. Farblinien stürzen hinab oder schießen empor. Die Raumkonstruktion bildet die strukturelle Basis von Ernerts Kompositionen. Sein unmittelbares Gefühl für Formen, spannungsgeladene Perspektiven und Raumvolumina offenbart sich im energetischen Farbauftrag. In das Visier des Künstlers geraten dabei oft Raumteiler, Spiegel, Vorhänge, Strahler, Rückwände, Durchgänge oder auch Gerüste – das legen bereits die Bildtitel nahe. Das sparsam gesetzte Figurenpersonal wird von den Farben des Lichts gezeichnet und durchdrungen. Schauspieler, Musiker oder Bühnenarbeiter stellen sich bei Ernert in den Dienst der Verortung ihrer Umgebung und fügen sich Requisiten gleich in die Szenerien ein.
Ernerts Aufmerksamkeit konzentriert sich insbesondere auf das Bühnenlicht. In dem fünfteiligen Bilderzyklus Lichtprobe (2018) wird die Ausleuchtung des jeweiligen Motivs in verschiedenen Tönen und Temperaturen variiert und die räumliche Situation in horizontale Farbstreifen fragmentiert. Nicht allein die Veränderung konkreter Beleuchtungsszenarien scheint hier reflektiert; der Gedanke an das Phänomen der Lichtbrechung im optischen Prisma und die damit verbundene Zerlegung weißen Lichts in Spektralfarben steht im Bildraum. Im chromatischen Klang jedes einzelnen Gemäldes dieser Serie gehen Lichtsehen und Farbenhören eine synästhetische Symbiose ein. Das Bühnenuniversum erweist sich bei Ernert als Resonanzkörper der Malerei.
Ergänzt wird Ernerts Opernhauszyklus durch zwei großformatige Gemälde der Serie Kletterhalle aus dem Jahr 2014 und eine Auswahl an frühen Werken des Künstlers aus dem Bestand der Sammlung Hildebrand: Anhand von Chinatown (2006) und Schärttnerhalle (2004–2005) lässt sich Ernerts künstlerische Entwicklung nachvollziehen. Außerdem wird deutlich, wie die Vitalität des Duktus, die Konzentration auf essenzielle Motivmerkmale sowie die Wahl von Farbe und Format von der Wahrnehmung des jeweiligen Sujets bestimmt sind.