10 years (2009 - 2019) ist die dritte Ausstellung des kubanisch-mexikanischen Künstlers Flavio Garciandía in der Mai 36 Galerie. Flavio Garciandía wurde 1954 in Caibarién, Kuba, geboren und ist einer der wichtigsten und einflussreichsten kubanischen Künstler der letzten vier Jahrzehnte. Sein Einfluss ergibt sich aus einem breit gefächerten Werk, das sich überwiegend aus Malerei, jedoch auch Zeichnung und Installation zusammensetzt. Als hombre del trópico betrachtet und artikuliert er aus einem kritischen Blickwinkel heraus die hierarchischen Verhältnisse des modernen Kanons und hat Generationen von Künstlern in Kuba sowie außerhalb beeinflusst und geprägt.
Seit mehr als drei Jahrzehnten verwendet Garciandía als Werkzeug die Abstraktion als wichtiges modernes Paradigma der westlichen Malerei, um damit eine visuelle Kommunikation zu schaffen, die vom intimen Flüstern bis zur heiteren und scherzhaften Beleidigung reicht. Somit ist die Arbeit von Garciandía gespickt von subtilen visuellen und textlichen Hinweisen auf eine Kultur im Zusammenspiel mit figurativen Überbleibseln, die diese verzerren, verfälschen und ihren Sinn verändern. Bei ihm ist Appropriation Art nicht nur eine kreative Methode, sondern ein ausgeklügeltes System, ein prozesshaftes Nebeneinanderstellen von Schichten, ein Palimpsest - so kann man seinen kreativen Prozess der Bildund Zeichensprache interpretieren. Mit Lust, Humor und Erotik, die als Schlüsselelemente in einem Entriegelungsmechanismus agieren, verwandelt Garciandia ein verstricktes Gerüst in ein einzigartiges, sehr intimes Modell, in dem eine neugefundene Transparenz ein verlangsamtes Kunstmachen konsolidiert. Ein Tempo, das es ihm ermöglicht, die statische Phase des abstrakten Gemäldes und seinen kontemplativen Eifer in new tropical abstraction zu aktivieren.
Letztere ist eine verbale und verbalisierende, eine agierende Malerei. Sie eitert, schwitzt, tröpfelt, ejakuliert und blutet, obwohl sie mit aseptischsten, künstlerischen Materialien kreiert wurde (Acryl, Tinte, Bleistift, Filzstifte und Pigmente). Eine lebendige Abstraktion. Die nicht die Kälte der Geometrie oder die Hitze des Neoexpressionismus verkörpert. Es ist die Hitze des Fleisches, die Temperatur unserer Körper, die sie definiert. Die Ausstellung umfasst mehr als zwanzig Werke Garciandías im ersten und zweiten Stock der Galerie und ist eine einzigartige Gelegenheit, um die schöpferische Entwicklung eines Jahrzehnts zu bewundern, den Übergang zu einem absolut reifen, freien und phänomenalen Werks.
Der Künstler erklärte kürzlich in seinem Studio in Mexiko-Stadt: „Nach mehr als vier Jahrzehnten Malerei könnte dies definitiv mein persönlichstes Werk sein.“ Garciandía lebt seit Anfang der 90er Jahre in Mexiko.