Für sein jüngstes Projekt im Museum der bildenden Künste Leipzig greift Kucsko die regelmäßige, in gleich große Betontafeln segmentierte Wandgliederung des Ausstellungsraums auf, die architektonisch dem modernistischen Diktat des Rasters entspricht. Es erinnert ihn an den aufgeschlagenen Seitenspiegel eines Buches. Daraus entwickelt er sein Konzept für eine raumfüllende Installation als Referenz an die große Tradition der Stadt Leipzig als Buchdruck- und Verlagsort. Er verhängt die Betontafeln paarweise und abwechselnd mit schwarzem Stoff und mit Text bedruckten Bahnen. Statt Bildern an der Wand zeigt er „Fahnen“ – als Referenz an den Buchdruck.
Es entsteht ein überdimensional aufgeschlagenes, polyperspektivisch zu lesendes Buch mit beschriebenen und unbeschriebene „Seiten“. Erzählt wird eine Geschichte über Konzeptkunst und zwar auf ungewöhnliche Weise. Der schwarze Stoff entpuppt sich als Zaubertuch und transformiert die Fahnen auf animistische Weise zur intellektuellen Selbstreflexion ihres Ding- und Kunstcharakters. Sie entwickeln ein Eigenleben. Es entspinnt sich ein fiktiver, für den Betrachter gleichzeitigt nachzulesender Dialog unter dem Titel: „Zwei schwarze Fahnen diskutieren über Konzeptkunst.“ Die beschriebenen Fahnen unterstellen den schwarzen Stofffahnen, dass sie sprechen. Das tun sie in Form einer Doppelconférence, einem Dialog zwischen Gesprächspartnern, in dem einer die Rolle des Klugen annimmt, während der andere Begriffsstutzigkeit mimt.
Sie agieren wie zwei Fremde, die ihren Weg in ein Museum gefunden haben, wo sie sich erst zurechtfinden müssen und verständigen sich darüber, wo sie eigentlich gelandet sind. Gleichzeitig versuchen sie, sich in ihre neue Rolle einzufinden, wo doch ihre Natur eben noch simpler, schwarzer Stoff war. Trifft es wirklich zu, dass sie durch ihre Zweckentfremdung, dem Herauslösen aus ihrer alltäglichen Bestimmung, alle Funktionen praktischen Gebrauchs einbüßen und eine neue erhalten, nämlich Kunstwerke sind? Die Fragen und Antworten ergeben eine augenzwinkernde Einführung in die Bedingungen von Konzeptkunst. Die Ready-mades von Duchamp stehen Pate. Auf humorige Weise räsonieren die Fahnen über die Möglichkeit ihres neuen Stellenwertes, da sie sich nun in einem Museum befinden.
Sie erkennen, dass es erstens ihrer Auswahl und zweitens ihrer Präsentation im Museum als einem gesellschaftlich legitimierten Ort zu verdanken ist, in diesem Möglichkeitsraum potentiell zu Kunstwerken werden zu können. Plötzlich, mitten in einen Kunstkontext eingebettet, fehlt nur noch die Interaktion mit dem Betrachter. Jener kollaborative Prozess der Betrachtung, der durch seine Wahrnehmungsleistung den künstlerischen Akt erst vollendet und das vom Künstler und Kunstexperten für ein Museum legitimierte „Ding“ ein weiteres Mal als Kunst affirmiert. Der museale Rahmen ruft eine Erwartungshaltung hervor und verändert den Blick des Betrachters, der den Wandel eines Gebrauchsgegenstandes zum Kunstwerk vollzieht.