Tischplatten hängen an den Wänden, ein skurriler Hampelmann schwebt im Raum und glänzende Metallbuchstaben kommentieren das Geschehen – das facettenreiche Werk von Keti Kapanadze (geb. 1962 in Tiflis, Georgien, lebt und arbeitet in Bonn), das im patriarchalischen Georgien zur Zeit der Sowjetunion zu entstehen begann, reicht von konzeptuellen Zeichnungen und Skulpturen über Fotografie und Video bis hin zu großformatigen Wand- und Rauminstallationen. In ihrem Œuvre setzt sich die georgische Konzeptkünstlerin immer wieder mit der eigenen Identität und ihrer Rolle als Frau und Künstlerin auseinander. Dabei nutzt sie häufig alltägliche Gegenstände oder Phänomene und überführt diese in kritischer Analyse in neue Kontexte.
Im Projektraum der Galerie werden neue Wandinstallationen aus dekonstruierten Blumentischen der 1950er Jahre gezeigt. Diese Alltagsobjekte, die vermehrt mit Weiblichkeit in Verbindung gebracht werden, transformiert die Künstlerin an der Wand zu zweidimensionalen Installationen. Vermeintlich weibliche Attribute und Anspielungen begegnen uns in Keti Kapanadzes Werk immer wieder. Dabei interessieren sie vor allem das Verhältnis von Mensch und Objekt und unsere Vorstellungen über Designformen. Welche Assoziationen sind mit ihnen verbunden? Wie wirken diese Objekte auf uns, wenn sie aus ihrem ursprünglichen Kontext gelöst und in einen neuen Zusammenhang überführt werden? Für diese Untersuchung hat Kapanadze die naiven Ikonen der 1950er Jahre in Nierenform gewählt und lässt an der Wand autonome, monumentale Symbole entstehen, die zu Kompositionen anwachsen, welche Blueprints chemischer Reaktionen im menschlichen Gehirn ähneln. Aus der dreidimensional geschichteten Form der Blumentische entsteht auf diese Weise ein zweidimensionales, rhizomartiges Geflecht. In dieser neuen Anordnung sind die Formen von ihrer hermetischen Existenz und Funktion befreit. Die installativen Kompositionen und neu geschaffenen Zusammenhänge lassen humorvolle und emotionale Landschaften entstehen, die einen Mikro- und Makrokosmos der menschlichen Existenz beschreiben.
Die Wand- und Rauminstallationen werden von Wörtern und kurzen Sätzen aus verführerisch glänzendem Metall begleitet. Kapanadze nutzt Wörter wie Ready-mades – wie vorgefundene Objekte, deren intuitiv entstehende Form dabei konzeptuell stets im Vordergrund steht. Ihre Metallarbeiten sind im kleineren Format aus Nickel ausgeschnitten, meist Buchstaben, Wörter oder kurze Statements, manchmal auch Zahlen. Sie treten spielerisch im Raum oder an der Wand auf und kommentieren humorvoll die benachbarten Werke. Das kalte, klare Material des Nickels schafft einen starken Kontrast zu den verspielten Formen aus Holz. Der Künstlerin geht es immer wieder um die Vielfalt von Informationsträgern und die Frage, was unsere Wahrnehmung beschäftigt. Wir suchen nach dem Prinzip einer effizienten Sprache, nach einem Code, einem Zeichen, einem Symbol.
Für ihre seit 2016 fortlaufende Fotoserie „Harmonic Enterprise“, titelgebend für ihre Ausstellung in der Galerie, bittet die Künstlerin Freund*innen und Bekannte – manchmal ganz spontan –, ihre Wohnung oder ihr Atelier fotografieren zu dürfen. Allein in diesen Räumlichkeiten greift Kapanadze in wenigen Minuten in die Einrichtung ein, arrangiert intuitiv einzelne Gegenstände neu und drückt schließlich den Auslöser der Kamera. Es entstehen Kompositionen in strengem Schwarz-Weiß, die bei genauem Hinsehen humorvoll anmuten. „Harmonic Enterprise #2“ (2016) zeigt einen Turm von gestapelten Stühlen im Zentrum eines kargen Innenraums. Dabei handelt es sich um die Wohnung einer Frau in einem traditionellen, alten Gebäude in Tiflis, Georgien. Kapanadze war erstaunt über die Bescheidenheit und Kargheit ihres Wohnraums. Vielleicht bezeugen die pyramidal gestapelten Stühle im Zentrum des Raumes Kapanadzes Wunsch, die vorgefundene Leerstelle zu füllen. Durch die zugezogenen Vorhänge im Hintergrund des Bildes, die uns den Blick aus den beiden Fenstern verwehren, erhält die Inszenierung ein theatralisches Moment. Der Betrachterblick konzentriert sich allein auf das reduzierte Interieur des intimen Privatraums. Auch die zweite, ausgestellte Fotografie „Harmonic Enterprise #14“ (2016) entstand in Georgien. Humorvoll hat Kapanadze auch hier vorgefundene Gegenstände in den Bildmittelpunkt gerückt. Das Medium der Fotografie setzt die Künstlerin dabei konzeptuell zur Dokumentation des skulpturalen Moments ein.
Keti Kapanadze (geb. 1962 in Tiflis, Georgien, lebt und arbeitet in Bonn) besuchte zunächst das Art College in Tiflis, um von 1984 bis 1990 Grafik und Malerei an der Staatlichen Akademie der Künste Tiflis zu studieren. Sie war in den 1990er Jahren die erste georgische Künstlerin, die mit der feministischen Thematik arbeitete. Im Jahr 2000 emigrierte die Konzeptkünstlerin auf der Suche nach einer fruchtbaren kulturellen Umgebung nach Deutschland. In jüngerer Zeit erfuhr ihr Werk durch die Beteiligung an verschiedenen Ausstellungen und Messen neue Aufmerksamkeit. Zuletzt wurden ihre Arbeiten im Frühjahr 2018 in einer Einzelausstellung im Georgischen Nationalmuseum und im Seidenmuseum Tiflis gezeigt. Seit 2018 befinden sich Werke der Künstlerin im Moscow Museum of Modern Art (MMOMA).