Gina Folly beschäftigt sich in ihrem Werk seit vielen Jahren eingehend mit dem Medium Fotografie, das sie um neue Formen und Präsentationsmöglichkeiten erweitert und ergänzt. Sowohl politische, ökonomische, kulturelle, sozialeEreignisse und Phänomene gleichermassen wie ökologische Fragen, mit denen sie ihr unmittelbares Umfeld präzise reflektiert und analysiert, können eine wesentliche Rolle innerhalb ihrer installativen Arbeiten spielen. Der Mensch in seiner von ihm geschaffenen Umgebung — zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit, in der steten Kreation des jeweiligen Lebenskonzepts — sind weitere Themen, die Folly interessieren. Für das Jahresaussenprojekt 2019 Fashion, Sex and Death — Science — Sports, Gardens and Conspicuous Consumption traf Ines Goldbach die Künstlerin zum Gespräch
Ines Goldbach: Ich würde gerne mit dir über deinen speziellen Umgang mit Fotografie sprechen, die einerseits das zentrale Medium deiner künstlerischen Praxis ist, andererseits von dir immer auch installativ und räumlich gedacht wird. Indem du alltäglichen Dingen und Situationen nachspürst, sie auch gerade durch das fotografische Auge erkennst und festhältst, hinterfragst du deine Umgebung sinnfällig, humorvoll und zugleich mit einer ironisch-feinen Kritik, und generierst daraus unter anderem auch Rauminstallationen. Die Gestaltung des Aussenbanners scheint mir daher aus vielen Gründen sehr passend innerhalb deines Werks. Alltag, Natürlichkeit und Künstlichkeit, Realität und Übersteigerung treffen sich hier, und zugleich öffnest du damit einen weiteren architektonischen Raum. Lass uns damit beginnen, wie du auf das Motiv gekommen bist, das du nun zeigst.
Gina Folly: Im Frühling 2018 hatte ich die Chance einer dreimonatigen Residency am Swiss Institute New York. Glücklicherweise konnte in dieser Zeit bei einem sehr guten alten Freund von mir wohnen. Das Motiv des Aussenbanners für das Kunsthaus ist ein Bild von seinem Büchergestell. Es ist aber nicht einfach das Bild einer persönlichen Bibliothek, sondern hat zugleich etwas Allgemeingültiges. Das Bild ist für mich ein Platzhalter für Freundschaft, Liebe, Vergangenheit, Zukunft und Imagination, vielleicht in einem Wort zusammengefasst: für das Leben. Dabei hat das Motiv verschiedene wichtige Ebenen, die immer wieder in meiner Praxis auftauchen. Zum einen hat es für mich in diesem Büchergestell auch sehr persönliche, private und intime Exemplare an Publikationen, zum Beispiel Bücher, die Freunde von mir gemacht haben; zum anderen Texte, die für die Entstehung einiger meiner Arbeiten kontextgebend und sinnstiftend waren, und gleichzeitig ist es auch die Sammlung von Büchern und die Kategorisierung des Büchergestells eines Freundes. Das macht das Motiv für mich zu einer Enzyklopädie meines persönlichen Lebens und gleichzeitig zu einem Motiv, das in einem universellen abstrakten Sinn Gültigkeit erhält.