Das MdbK zeigt in der zentralen Halle der dritten Etage zwei raumgreifende Installationen von Ernesto Neto. Die Arbeiten des 1964 in Brasilien geborenen Künstlers sind körperlich-sinnliche Erfahrung. Er schafft biomorphe Plastiken, die einladen den eigenen Körper wahrzunehmen und in direkten Kontakt mit dem Werk zu treten. Künstlerisch beeinflusst wurde Neto durch die partizipative und politische Kunst Brasiliens der 1960er Jahre, durch den Neokonkretismus sowie die Tropicália Bewegung. Die Auseinandersetzung mit der Natur und dem Körper sind zentrale Bezugspunkte seiner Kunst.
Die amorphe Bodenskulptur O tempo lento do corpo que é pele („Der langsame Takt des Körpers, der die Haut ist“) von 2004 lässt sich schon vor Betreten des Raumes durch den Geruchsinn erfahren: Die aus roten und sandfarbenen Stoffstreifen geknüpfte Knoten sind mit den Gewürzen Kurkuma, Nelke, Pfeffer und Kumin aromatisiert, wodurch die Luft zu einem sinnlich erfahrbaren, werkimmanenten Bestandteil wird. Die nózinho („kleine Knoten“) sind eine traditionelle brasiliansiche Handwerkstechnik, die von der Frauenkooperative Coopa-Roca Knoten für Knoten hergestellt wurde. Über die Skulptur, die sich wie eine zweite Hautschicht über den Boden legt, sagt Neto: „Die Idee der Haut ist in allen meinen Arbeiten wichtig: die Haut schützt unsere Existenz, und ist gleichzeitig die Grenze an der unsere innerste Bewegtheit mit unseren äußeren Bewegungen aufeinander treffen. Ich verstehe den Körper als eine Landschaft - wie einen See oder ein Feld – auch die Skulptur ist eine Landschaft. Wenn wir in unsere Körpers hineinsehen, was heutzutage geradezu alltäglich geworden ist, so entdecken wir neue Landschaften, eine Bio-Landschaft, die für meine Kunst eine hohe inspirative Kraft besitzt […].“
In einer biologischen Landschaft scheint sich die Besucher auch in der Arbeit Esqueleto Glóbulos („Skelett der Blutkörperchen“) von 2001 wiederzufinden. Die über 14 Meter lange Plastik besteht aus weißen Nylon-Schläuchen, die mit Styroporkügelchen geformt sind. Sie bilden Verstrebungen und beziehungsweise Hohlräume, in ihrer Form lassen sie an Skelette, Knochengewebe oder Zellen denken. Die Schwerkraft nutzt Neto zur Konstruktion – es geht ihm um ein Austarieren von Kräften und die Findung eines Gleichgewichts.