Im Zentrum der Ausstellung steht eines der berühmtesten Werke der Dresdner Gemäldegalerie, das Schokoladenmädchen des Genfer Künstlers Jean-Étienne Liotard (1702–1789). Bereits zu seinen Lebzeiten waren seine Pastellmalerei und das Bild hochgeschätzt. So pries die bekannteste Pastellmalerin Rosalba Carriera das Schokoladenmädchen als „schönstes Pastell“.
Dem Kunsthändler Algarotti, der die „Chocolatière“ 1745 direkt vom Künstler für das Dresdner Pastellkabinett ankaufte, war es zu verdanken, dass nun in der Galerie auch Werke zeitgenössischer Künstler präsentiert wurden. Ganz dem Geschmack des Rokoko entsprach das Malen mit der Pastellkreide, das sich für lebensechte, brillante Porträts anbot: Liotard schuf makellose, porzellanhaft glatte Oberflächen. Der große Bekanntheitsgrad des Bildes aber beruht auf der Darstellung eines einfachen, unbekannten Stubenmädchens, einem bis dahin äußerst seltenen Motiv.
Die „Chocolatière“ serviert einer unbekannten Empfängerin zum Frühstück heißen Kakao: In dieser Form war das teure, exotische Genussmittel im 18. Jahrhundert insbesondere an den europäischen Höfen äußerst beliebt. Seine Exklusivität äußerte sich nicht zuletzt in den wertvollen Porzellanen mit silbernen und goldenen Untertassen, in denen das Getränk serviert wurde. Liotard nahm mit seiner präzisen Beobachtung die Kunst der Aufklärung und den Realismus des 19. Jahrhunderts vorweg.
Sowohl die vielen Kopien, die bereits seit dem 18. Jahrhundert in Pastell oder Öl angefertigt wurden, als auch die zahlreichen grafischen und fotografischen Reproduktionen förderten die weite Verbreitung und internationale Rezeption. Das Schokoladenmädchen war zudem seit dem 19. Jahrhundert in der Volkskunst und Werbung sehr beliebt.
Die Ausstellung ermöglicht erstmals, das Schokoladenmädchen als Teil von Liotards Gesamtwerk zu erfahren. Über 100 herausragende Werke, darunter etwa 40 Leihgaben aus großen, internationalen Sammlungen, aus Privatbesitz sowie aus zehn Museen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zeigen die Kunst Liotards. Über 40 Pastelle, Ölgemälde, Zeichnungen und Grafiken geben einen Einblick in das vielfältige Schaffen des Künstlers, das neben Porträts in Pastell, Genreszenen und Stillleben in Öl auch Miniaturen, Figuren und Kostümstudien, sowie Kupferstiche umfasst.
Auch der Künstler selbst, der sich, inspiriert von seinen Reisen durch das Osmanische Reich und das Fürstentum Moldau, mit langem Bart und Pelzmütze als selbsternannter „türkischer Maler“ inszenierte und so auch porträtierte, wird in der Ausstellung vorgestellt. Während seines erfolgreichen Aufenthalts in Wien 1743–45 am Hofe Maria Theresias malte er nicht nur das Schokoladenmädchen, sondern kam auch in engen persönlichen Kontakt mit der Monarchin und konnte sie mehrfach porträtieren, auch in türkischen Kostümen.
Zwei Medienstationen bieten zum einen Informationen über die vielen Reisen, die Liotard durch Europa unternahm, zum anderen über die Technik der Pastellmalerei, die anhand von naturwissenschaftlichen Untersuchungsergebnissen am Schokoladenmädchen erläutert werden. Durch die Unterstützung der traditionsreichen Pariser Manufaktur „La Maison du Pastel“ kann die Fertigung der Pastellkreiden nachvollzogen werden.