Die ersten, uneingeschränkt freien Wahlen zum Wiener Gemeinderat im Mai 1919 bringen der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei die absolute Mehrheit an Stimmen und Mandaten. Ein international hochbeachtetes, von seinen Gegnern heftig bekämpftes Reformprojekt beginnt. Es zielt auf eine tief greifende Verbesserung der Lebensbedingungen der ArbeiterInnen und eine weit reichende Demokratisierung der Gesellschaft. Die Frage „Wie leben?“ wird intensiv, breit und kontroversiell debattiert. Viele Ideen, wie das theoretische Fundament des Austromarxismus, datieren aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Die neue Stellung der Stadt als eigenes Bundesland erweitert die politischen und ökonomischen Spielräume dann beträchtlich.
Zentrales Handlungsfeld der neuen Stadtregierung wird die Wohnungsfrage, die sich während des Ersten Weltkriegs mit dem Erliegen der privaten Bautätigkeit dramatisch zuspitzt. Auf der Grundlage einer revolutionären Fiskalpolitik („Luxussteuern“) werden bis 1934 mehr als 60.000 Wohnungen sowie zahlreiche Sozial-, Freizeit- und Kultur-einrichtungen geschaffen. Die Bevorzugung des mehrgeschossigen Wohnbaus anstelle genossenschaftlich organisierter Siedlungen am Stadtrand, wie sie international favorisiert werden, und die Monumentalität einzelner Anlagen wie des Karl-Marx-Hofs sind allerdings hoch umstritten.
Die Ausstellung fragt nach den spezifischen historischen Voraussetzungen des Roten Wien, den langfristigen Wirkungen auf die Stadtstruktur und -gestalt, nach dem Verhältnis von austromarxistischer Ideologie und politischem Pragmatismus, nach den internationalen Einflüssen, der Ausstrahlung nach Außen oder den aktuellen politischen Potentialen dieser dynamischen und experimentellen 15 Jahre Wiener Kommunalpolitik.