Kunst betreten und durchlaufen, die eigene Wahrnehmung in einem Kunst-Raum erweitern oder ein Werk einfach benutzen: Mit Installation Art präsentiert Museion einen neuen Parcours durch die eigene Sammlung und zeigt dabei raumgreifende und begehbare Kunst, die Besucherinnen und Besucher einlädt, an den ausgestellten Werken physisch teilzuhaben. 16 Künstlerinnen und Künstler – von Carl Andre bis zu Luis Jakob, von Heimo Zobernig bis zu Monica Bonvicini – stellen großformatige Installationen, Videos und Arbeiten aus Licht vor, die eine räumliche Dimension erzeugen. Im Rahmen dieser Auswahl sind unterschiedliche Kategorien installativer Kunst vertreten. Einige Werke versetzen das Publikum in eine fiktive Welt, andere schärfen die Sinnes- und Selbstwahrnehmung oder setzen auf eine direkte Interaktion mit dem Publikum. Alle Arbeiten begegnen dem Betrachter – der das Kunstwerk vervollständigt und von diesem über die eigene Erfahrung und eine aktive Partizipation einverleibt wird– mit besonderer Aufmerksamkeit. Verschiedene Arbeiten sind anlässlich vergangener Ausstellungen für das Museion entwickelt worden und dokumentieren somit die Ausstellungsgeschichte des Hauses.
Die Ausstellung bespielt den zweiten und dritten Stock des Museion, bezieht aber auch Besucherinnen und Besucher mit ein, die das Haus im Erdgeschoss betreten. Diese können sich dort auf ein großes Sofa aus rotem Schaumgummi von Luca Vitone (Eppur si muove, 2007) setzen und miteinander sprechen oder sich in der von Heimo Zobernig entworfenen Info-Lounge aufhalten – einer Arbeit, in der, gemäß der radikalen Ästhetik des österreichischen Künstlers, künstlerische Installation und Funktion oder Kunstobjekt und Gebrauchsobjekt miteinander verschmelzen. Das Kunstwerk als funktioneller Raum mit Gebrauchswert und gleichzeitig als Gelegenheit zur Präsentation sozialer und ökonomischer alternativer Strategien, in dem es – auch aufgrund der aktiven Mitwirkung des Publikums – Diskussionen auslöst: Das geschieht ebenfalls im Erdgeschoss im FREE BEER Garden des dänischen Kollektivs SUPERFLEX. In diesem außergewöhnlichen Biergarten haben Besucherinnen und Besucher die Gelegenheit, free beer zu kosten – das Rezept zur Herstellung dieses von Künstlern entwickelten Bieres kann man übrigens online nachlesen.
Mit der Vorstellung spielt Spencer Finchs Lichtinstallation Blue (Sky over Los Alamos, New Mexico, 5/5/00, Morning Effect), 2000, im Treppenaufgang zum zweiten Stock. Diese Arbeit besteht aus 173 Glühlampen, die durch ihre Anordnung die Molekularstruktur einer speziellen Kombination von Blautönen ergeben, die der Künstler am Morgen des 5. Mai 2000 in Los Alamos im US-Bundesstaat New Mexico beobachtet hat. Auch Otto Pienes Lichtballett (Lichtkugel), 1961, erzeugt durch bewegtes Licht einen immateriellen Raum, der begangen werden kann und der eine kosmische Dimension hervorruft. Die Große Lichtscheibe von Günther Uecker weist dagegen eine hypnotische Kraft auf, während Collection 2010, von Massimo Bartolini das Publikum in die Videokunst der Sammlung Museion eintauchen lässt.
Beim Übergang vom zweiten zum dritten Stock verweist der Engländer Robert Barry mit seiner Untitled Installation (1992) auf Unbestimmtes und Abwesendes. Worte, die etwas negieren oder auf etwas Abwesendes hinweisen wie impossible, anything, maybe, almost, against, missing und unknow sind in hellem Orange auf die Wände gemalt und erzeugen einen physischen und mentalen Raum, der Besucherinnen und Besucher einlädt, sich mit Nicht-Greifbarem und Nicht-Vorhandenem auseinanderzusetzen. Eine unbestimmte Situation der Verletzlichkeit und Zerbrechlichkeit, in der man spüren kann, wie einem der Boden unter den Füßen entzogen wird, erzeugt die Arbeit von Mirosław Bałka: eine Stahlplatte, die wie eine Waage auf einem Zylinder liegt und immer dann, wenn sie betreten wird, mit ohrenbetäubendem Lärm aus dem Gleichgewicht gerät.
Architektur als männlich dominierter Raum steht im Mittelpunkt der 1999 für die Biennale in Venedig realisierten Installation I Believe in the Skin of Things as in that of Women von Monica Bonvicini. Mit ihrer Maison Tropicale (2007) untersucht Angela Ferreira den Einfluss von Kolonialismus und Postkolonialismus. Diese betretbare Konstruktion aus Holz und Aluminium verweist auf den Prototyp der „Maison Tropicale”, die der französische Architekt Jean Prouvé 1949 als kostengünstiges Wohnhaus für französische Kolonialbeamte entworfen hatte, die an den Flüssen Niger und Kongo ihren Dienst taten. In seiner Installation Welcome on Board lädt Hubert Kostner dazu ein, eine märchenhafte und zugleich artifizielle sowie mit Stereotypen aufgeladene Berglandschaft physisch und metaphysisch zu betreten und regt damit zu einer distanzierten Sichtweise an.
Wie ein roter Faden durchzieht eine distanzierte und ironische Haltung zur Konsumgesellschaft die Arbeiten von Sylvie Fleury: In Chanel Fall/Winter, 1994 können Besucherinnen und Besucher einen lippenstiftroten Teppichboden ohne Schuhe betreten und in den Zeitschriften blättern, die dort aufliegen. Das Publikum wird damit Teil eines von der Künstlerin inszenierten ambivalenten gesellschaftlichen Wertespiels.