Seit 1960 hat sich die japanische Künstlerin Kimiyo Mishima (geb. 1932 in Osaka) mit der geistigen Verdauung einer zunehmenden Flut von Informationen und dem Aufkommen wie den Folgen des Konsumzeitalters beschäftigt. Zu Beginn ihrer Laufbahn setzte sie in ihren Gemälden Collagetechniken ein, bevor sie in den 1970er Jahren begann, mit Keramik zu arbeiten und Siebdrucke von Zeitungen und Flyern auf diesen neuen Untergrund aufzutragen. Ihr Schaffen vollzog sich unabhängig von und parallel zur Gutai-Gruppe aus der KansaiRegion.
Erste Bekanntheit erlangte Mishima für ihre grossformatigen Ölgemälde aus den 1960ern, in die sie Readymades, informelle Kunst, Op-Art und abstrakten Expressionismus einfliessen liess. Schon früh kombinierte sie aus amerikanischen und europäischen Zeitschriften stammende Bilder und Artikel, deren längst überholter Mitteilungsgehalt sich vielleicht in unserem Gedächtnis eingenistet hat, mit Materialien, die ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr erfüllen konnten und auf dem Müll gelandet sind – wie z.B. alte indigofarbene Kimono-Stoffe, Netze und Informationsbroschüren. Die acht hier gezeigten Gemälde sind erstmalig in der Schweiz zu sehen.
Druckerzeugnisse wie Zeitungen und Zeitschriften werden zu Abfall. Nachrichten von gestern sind heute schon veraltet, aber dennoch wichtig für unsere Zukunft. Indem Mishima sie auf einen Untergrund wie Leinwand, Keramik, Ton oder faserverstärkten Kunststoff überträgt, macht sie sie zu einem festen Bestandteil unserer Umgebung und unseres Bewusstseins. Die Ausschnitte verweisen auf wichtige, irgendwann einmal aktuelle Ereignisse. Obwohl sie Weiblichkeit und Porträts meidet, hat sie deren Spuren als deren Sinnbilder eingesetzt.
Ihre Gemälde binden Luxusgüter wie auch pharmazeutische und musikalische Bezüge ein, um uns an unsere Handlungen und Prioritäten zu erinnern – oder an deren Mangel.
Mit ihren Plastiken von alltäglicher Konsumkultur erinnert uns Mishima an die Risiken der Verschwendung und Informationsüberfrachtung, an ökologische Gefahren sowie an die Notwendigkeit des Umdenkens. Die aus Keramik nachgebildeten Getränkedosen in einem Drahtkorb spiegeln unsere Neigung wider, zu konsumieren und wegzuwerfen, ohne auf unsere Gesundheit, die Umwelt, die kurz- und langfristigen Folgen unseres Handelns zu achten. Die gestapelten bunten Mangas, Inbegriff japanischer Popkultur, scheinen darum zu bitten, dass man sie öffne. Ein einzelnes Manga, dessen abgenutzte Seiten sich teilweise öffnen und einen Blick ins Innere gewähren, verweist auf unsere unersättliche Neugier und unser Bedürfnis nach temporeichem Abenteuer, auf den fesselnden Bann populärer Comics und Fortsetzungsromane.
Kimiyo Mishima wurde u.a. mit der Goldmedaille der Internationalen Keramikausstellung in Faenza (1974), einem Rockefeller-Stipendium des Asia Cultural Council (1986), dem Preis der Präfektur Yamaguchi sowie dem Bürgerpreis (2001) ausgezeichnet.
Zu bedeutenden Ausstellungen, in deren Rahmen ihre Arbeiten gezeigt wurden, zählen „Zeitgenössische japanische Kunst“: Musée d’art et d’histoire, Genf, CH (1983); Institut de Cultura de la Ciutat d’Olot, Olot, ES (1986); „Zeitgenössische japanische Keramik“: internationale Wanderausstellung Japan-Brasilien, u.a. Museu de Arte de São Paolo (MASP), São Paolo, BR (1998); Contemporary Art Museum, Ise, JP (2004); „Contemporary Ceramics of Japan“: Museum of Fine Arts, Boston MA, USA (2005); „Ancient to Modern – Japanese Contemporary Ceramics and Their Sources“: San Antonio Museum of Art, San Antonio TX, USA (2015); „CERAMIX“: Bonnefantenmuseum, Maastricht, NL, La Maison Rouge, Paris, und Cité de la céramique, Sèvre, FR (2016). Grosse Installationen sind auf der Benesse Art Site Naoshima und in der ART FACTORY Jojanjima, JP, zu sehen.
Ihre Arbeiten sind in den ständigen Sammlungen folgender Einrichtungen vertreten: Art Institute of Chicago sowie First National Bank of Chicago, Chicago IL, USA; Everson Museum of Art, Syracuse NY, USA; Korean Culture & Heritage Foundation, Seoul, KR; Kunstmuseum Olot, ES; Museum of Contemporary Art, Tokio; National Museum of Art, Osaka; Benesse Art Site Naoshima; National Museum of Modern Art, Kyoto, JP. Sie sind fester Bestandteil weiterer Sammlungen in Museums- und Privatbesitz.