Zavattari startet das Experimentieren von unbekannten Horizonten durch ein neues Projekt mit dem Titel (Mind)blowing, eine skulpturale Serie, die als konzeptuelle Fortsetzung eines Pfades zu verstehen ist, der sich über mehrere Jahre hin entwickelt. Bereits mit der Installation Poliedro hatte der Künstler die geometrische Figur zuerst als Dreh- und Angelpunkt dreidimensionaler Interaktionen die sich im Raum entfalten, theoretisiert und dann als solche konkretisiert: zahllose Fäden, die den Künstler mit seiner eigenen Arbeit verbinden, das Werk mit dem Ort des Geschehens, der Ort des Geschehens mit dem Publikum, welches mit dem Ort interagiert.
Durch zahlreiche Deklinationen von Maßen und Materialien bietet (Mind)blowing eine intellektuelle wie auch greifbare Weiterentwicklung von all dem dar: Der Künstler untersucht und stellt dann die physische Darstellung seines kreativen Windes dar und realisiert eine (wenn auch kontrollierte) Explosion der Verflechtungen bestehend aus Linien und Segmenten. Das Werk nimmt also ein pulsierendes Leben an und wird wie ein Feuer zuerst vom "Atem" des Autors und dann vom Publikum, dem es angeboten wird, angezündet. Die kompositorische Prägnanz wird dank der entscheidenden Farben, die Zavattari als Anwendung einer durch die Projekte Invelight und Colour State of Mind entwickelten, unaufhörlichen technischen Forschung gewählt hat, noch tragender; alles verbunden durch die Mathematik, die in der Serie Isomorphe Vermutungen aus dem Jahre 2017 so tief erörtert wird.
Wenn mit Poliedro Zavattari inspiriert von der Konstruktion des Spinnennetzes ausgehend von oben, eine energische Auswirkung in dem Raum fördert, konzentriert er sich durch die Figuren des (Mind)blowing stattdessen auf die Beziehung zum Boden hin, er entwickelt von unten her alle Werke als ob er das natürliche Wachstum eines Baumes replizieren wolle, Spiegel einer geteilten äußeren Natur und Projektion der persönlichsten synaptischen Prozesse.
Jede Figur ist für weite öffentliche , private oder geschäftliche Orte, Plätze, Gärten, Kreisverkehre oder repräsentative Räume bestimmt und nimmt abhängig davon das konzeptionell und körperlich passendere Erscheinungsbild an. Daher wird der intime, einsame kompositorische Prozess einem extrem heterogenen Publikum, auf der Höhe seiner Verbreitungskraft, als ein vergrößertes Fragment angeboten, in Zeitlupe gezeigt aber niemals unbeweglich, in der Lage “ein Licht zurückzugeben 'das strahlender als tausend Sonnen' ist und sich jeden Tag steigert. Eine Begegnung zwischen dunklen und leuchtenden Kräften und vor allem die Darstellung der Konsequenzen dieser Sammlung”, wie der Künstler selbst in einer Passage aus dem dazu eigens erstellten Manifest bestätigt.
Der expressive Impetus wird dann durch Linien und Farben , die von dem Material gezähmt werden, sei es Holz, Stahl oder Aluminium, kristallisiert , in dem Versuch das innere Chaos dass der Autor in seiner kreativen Phase zähmen muß , dem Betrachter verständlich zu machen. Was auf den ersten Blick als eine einfache, wenn auch beträchtliche Designintervention für große geschlossene und offene Umgebungen erscheinen mag, wird sich bei näherer Betrachtung als eine Form in einer frenetischen Bewegung zeigen, die nur teilweise zwischen den Grenzen der physischen Linien die vom menschlichen Auge wahrgenommen werden, eingesperrt ist.
Wie die portugiesische Museologin Cláudia Almeida, Kuratorin der künstlerischen Tätigkeit von Francesco Zavattari bemerkte, ist “(Mind)blowing die plastische Synthese des Künstlers zwischen Intuition und Intellekt, zwei Prozesse des Geistes die der Schöpfung Leben geben. Ohne Intuition nimmt der Intellekt die Idee nicht wahr , erfasst oder hinterfragt den visuellen und emotionalen Akt nicht. Aber ohne den Intellekt ist Intuition nur ein Signal, eine unkontrollierte, chaotische, unregelmäßige Emotion. Die genauen Prozesse des schöpferischen Aktes festzuhalten, sie mit Farbe materiell zu machen, ihnen eine Form zu geben und sie dem Betrachter zu vermitteln, ist die Entstehung dieses letzten Werkes des Künstlers. Das Publikum sieht das Endergebnis, aber durch die Formenkette und die Farbfolge führt Francesco es zur ersten Explosion”.
Text von Silvia Cosentino
Übersetzung von Massimo Michelini