Nachdem sie sich in den vergangenen Jahren bis an die Grenzen der Abstraktion vorgewagt und diese gelegentlich sogar überschritten hat, kehrt Franziska Klotz in ihren aktuellen Werken zu einer Malerei zurück, die sich wieder stärker am Gegenstand orientiert. Im Zentrum unserer Ausstellung steht eine Gruppe von neun Gemälden, die ausnahmslos Gesichter von Frauen zeigen, die uns ernst und würdevoll, vor allem aber selbstbewusst anschauen. Ganz Motiv – und gleichzeitig ganz Malerei. Befremdlich und doch vertraut, nah und doch fern.
Bei näherem Hinsehen offenbart sich das Besondere dieser Gesichter: die Modelle von Franziska Klotz’ Gemälden sind keine Mädchen und Frauen, die der Malerin von Angesicht zu Angesicht gegenübersaßen, sondern auf dünne Holztäfelchen gemalte Bildnisse von Frauen, die schon seit nahezu zweitausend Jahren nicht mehr unter den Lebenden weilen. Festgehalten von unbekannten Malern in Ägypten porträtieren diese im römischen Stil gemalten Bilder Damen der Oberschicht, die ursprünglich in einem Bildfenster in die mumifizierten, in dünne Gazestoffe gehüllten Leichen eingebunden waren. Das Antlitz der Verstorbenen konnte so in seiner ungebrochenen Schönheit und Individualität für die Nachwelt bewahrt werden. Als Andenken an die Jugend, an die Schönheit, an die Eleganz, an die Weisheit… kurz: an das Leben in seiner Vielfalt und Einzigartigkeit.
Nun erklären sich auch die Brüche, die Verletzungen und die Fehlstellen, die diese zweifach gemalten Gesichter aufweisen. Diese sind weder Spuren eines gestisch-expressiven Malaktes heute, noch Wunden zweitausend Jahre alter Gesichter. Es handelt sich vielmehr um die Spuren, welche die Geschichte den Holztäfelchen und ihren Darstellungen aufgedrückt hat.
Die Mumienporträts von Franziska Klotz sind Bilder von Bildern, die das ursprünglich gemalte Abbild ebenso ernst nehmen wie dessen Geschichte als Objekt. Die Werke von Franziska Klotz porträtieren einen Gegenstand, der selbst Malerei ist: ein Holztäfelchen, versehen mit einem gemalten Frauenbildnis. Franziska Klotz’ Mumienporträts sind damit ein Nachdenken über die Malerei und ihre Aufgaben mit den Mitteln der Malerei selbst. Vor allem aber sind sie eine tief empfundene Reflexion über das Wesen der Zeit. Geleitet von Fragen wie „Was ist die Ewigkeit?“ oder „Was bleibt übrig?“ wird der vergänglichen Natur die ewige und unvergängliche Kultur gegenübergestellt.
Bei allem Realismus der Darstellung – sowohl der zweitausend Jahre alten Frauenporträts auf ihren Holztäfelchen als auch der Leinwandbilder eben dieser auf Holztäfelchen gemalten Bildnisse bei Franziska Klotz – am Ende trägt die Kunst den Sieg davon. Schon der ursprüngliche Zweck der Porträts, das Schmücken des einbalsamierten und damit bereits artifiziell aufbereiteten Körpers mit einem gemalten Porträt, ist ein Sieg der Kultur über die Natur, der hier durch die Kunst Ewigkeit verliehen wird. Diese Kunstobjekte mit ihrer eigenen, zweitausendjährigen Geschichte verwandelt Franziska Klotz zu Werken, die viel mehr sind als ein bloßes Abbild. Ihre Handschrift, ihr individueller Pinselstrich, ist ebenso zu spüren wie die Handschrift des Malers, der vor fast zweitausend Jahren das Porträt einer Ägypterin im römischen Stil auf ein dünnes Holztäfelchen malte.
Aber so wie die Zeit ihre Spuren auf dem ägyptischen Artefakt hinterlassen hat, wird auch das kürzlich erst entstandene Gemälde von Franziska Klotz einmal seine Geschichte haben und von einer Künstlerin erzählen, die sich im Zeitalter digitaler Virtualität auf handgreifliche Weise mit einem die Zeit überdauernden Objekt auseinandergesetzt hat. Nicht die ewige Jugend von Dorian Gray zeigt sich in Franziska Klotz’ Werken, aber auch nicht die Schrecken des Bildnisses, das an seiner Statt auf so schreckliche Weise gealtert ist. Sondern eine Würde des Alters und ein Respekt vor der Geschichte, der individuellen ebenso wie der der gesamten Menschheit.
Dieser Respekt vor den Dingen kennzeichnet auch die anderen Werke der Ausstellung mit ihren Darstellungen von Pflanzen, einem Brief, der Fassade eines Hauses, einem schlafenden Menschen oder einer Tür, die mit ihrer Vielzahl von Gegenständen an eine Pinnwand erinnert. Die sichtbare Welt wird in allen Werken ernst genommen, gleichzeitig aber das freie Spiel der Farben und Formen nicht aufgegeben. Malerei bleibt Malerei, und ein Gemälde ist immer mehr als nur sein Motiv. Das Objekt auf dem Bild ist daher beides: Abbild eines vergänglichen Gegenstandes ebenso wie unvergängliches Motiv eines Kunstwerks.
Franziska Klotz wurde nach ihrem Studium der Malerei an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee mit dem Max-Ernst-Stipendium der Stadt Brühl ausgezeichnet. Auf Einladung des Goethe-Institutes war sie Stipendiatin der Kulturakademie Tarabya in Istanbul, wohin sie nach einem halbjährigen Aufenthalt im Jahr 2015 zu Beginn des Jahres 2018 für zwei Monate zurückkehrte. Ihre Werke werden weltweit ausgestellt, unter anderem bei der 4th Moscow International Biennale for Young Art 2014, dem 56. Oktobersalon in Belgrad 2016 oder im Fanø Kunstmuseum in Dänemark im Jahr 2017.Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie ein Interview mit der Künstlerin führen möchten. Druckfähiges Bildmaterial oder weitere Abbildungen senden wir Ihnen auf Anfrage gerne zu.