Die Ausstellung der Galerie Doris Ghetta mit dem Titel Locus rei, also Ort der Dinge oder Sachen, präsentiert eine aktuelle Werkübersicht von Michele Bernardi und Arnold Holzknecht. Gezeigt werden bildhauerische Arbeiten für Wand, Sockel oder Raum, die dazu einladen befragt und verifiziert zu werden wie Versuchsobjekte in einem Observatorium. Es handelt sich um eine Auswahl von Werken mit vielfältigen Bezügen zur Lebenswelt, zu Natur und Wissenschaft und zu den Verflechtungen von Sehen und Denken. Die Gegenüberstellung zweier Einzelausstellungen in den Galerieräumen, das Parterre bespielt Michele Bernardi, die Räume im Obergeschoß Arnold Holzknecht, erlaubt zudem auch eine ausreichende Anzahl von Werken aus den vergangenen Jahren zu zeigen und die inhaltliche und formale Vielseitigkeit, die offensichtlichen Unterschiede und auch einige bemerkenswerte Gemeinsamkeiten dieser Grödner Bildhauer zu erleben.
Michele Bernardi beschäftigt sich mit Referenzen auf zeitliche und räumliche Totalitäten sowie mit der Erfahrung und Wahrnehmung von Zeit und Raum und Welt. In seiner Arbeit verschmilzt eine bewusst rudimentäre handwerkliche Ausführung des geschmiedeten Eisens mit verbalen und poetischen Elementen. Anders als in der Alltagswelt kommt hier der Mensch nur als Beobachter vor, er ist der Adressat der Zusammenhänge zwischen den Aktivitäten des Sehens und des Denkens. Was dabei zu gewinnen ist, sind nachhaltige Eindrücke des Absurden und eine Relativierung des Selbstverständlichen.
Arnold Holzknecht verarbeitet eine unübersehbare Bindung an eine regionale und rurale Lebenswelt, deren Relikte und Fragmente sich in einem Prozess der Reflexion und Transformation in Objekte voller Gegensätze verwandeln. Seine Arbeiten sind gleichzeitig Skulptur, Malerei, Zeichnung, Material. Dabei spielen die Spannungen zwischen natürlich und technisch, gefunden und handgemacht, physisch und mental, gegenständlich und abstrakt eine zentrale Rolle. Mit seiner exzentrischen Abstraktion reagiert dieses Werk auf eine akute Unzulänglichkeit in unserer Auffassung von Realität.
Von Michele Bernardi und Arnold Holzknecht stammt das Siegerprojekt aus dem öffentlichen Wettbewerb zur Historisierung des Mussolini-Reliefs am Gerichtsplatz in Bozen, das vor dem baulichen Abschluss steht (voraussichtliche Übergabe im November 2017).
Michele Bernardi, 1959 in Bozen geboren, Jugend und Schulzeit in Wolkenstein, 1981-1987 Studium an der Akademie der bildenden Künste in München bei Sir Eduardo Paolozzi; seither zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen in Deutschland, Italien, Österreich, England; Beteiligung bei Wettbewerben zur Kunst im öffentlichen Raum. Bernardi lebt und arbeitet in München.
Arnold Holzknecht, 1960 in Brixen geboren, Holzbildhauerlehre in St. Ulrich, 1979-1985 Studium an der Kunstakademie Florenz und an der Akademie der bildenden Künste in München; seit den 1990er-Jahren Einzel- und Gruppenausstellungen und öffentliche Wettbewerbe in Südtirol, Deutschland, Italien; 2015 erste Ausstellung bei Galerie Doris Ghetta. Holzknecht lebt und arbeitet in St. Ulrich.