Anlässlich des 100. Geburtstags von Heinrich Böll befragt das Museum Ludwig in seinen neuen Fotoräumen Bölls Verhältnis zur Fotografie und dem Fotografieren – als Person des öffentlichen Lebens, als Gegenstand seiner Betrachtung, als Hilfsmittel für sein literarisches Schaffen und als Motiv in seinen Schriften.
Ein Jahr nach Heinrich Bölls Tod, im Jahr 1986, eröffnete das Museum Ludwig im neu errichteten Gebäude. Die Adresse lautet: Heinrich-Böll-Platz. In der Sammlung Fotografie des Museum Ludwig befinden sich zahlreiche Werke, die Heinrich Böll zeigen. Denn als Autor war er selbst begehrtes Motiv der Fotografen. Zu Lebzeiten erschienen zwei Bildbände seiner Porträts, aufgenommen u.a. von Heinz Held. Zu ihm unterhielt Böll eine Freundschaft und ließ sich von ihm auch im privaten Umfeld ablichten, eine durchaus bemerkenswerte Ausnahme, da Böll eher kamerascheu war. Aus dem Nachlass Heinz Helds wird erstmals eine Auswahl seiner Porträts von Böll präsentiert.
In neun Fotobildbänden erschienen jedoch zu seinen Lebzeiten auch Texte von Heinrich Böll, neu verfasste oder wiederverwendete, so unter anderem zu Chargesheimers Unter Krahnenbäumen, Im Ruhrgebiet (beide 1958) oder Menschen am Rhein (1960). 1964 publizierte Böll im Katalog zur Weltausstellung der Photographie den Text „Die humane Kamera“. Darin formulierte er eine Moral der Fotografie: „Wo die Kamera zudringlich wird, ihr Instrument, das Objektiv, zum Instrument […] des Photographen wird, der darauf aus ist, den Menschen zu ertappen, zu denunzieren, zu entlarven, überschreitet die Photographie ihre ästhetische und gleichzeitig ihre moralische Grenze.“ Von „Verletzungen“ spricht er auch.
Und eine solche Verletzung findet literarische Gestalt in Die verlorene Ehre der Katharina Blum (1974), wenn die Boulevardpresse Blum in Wort und Bild ihrer Würde beraubt. Das Humane, das Menschsein – darin liegt Bölls Interesse in der Literatur wie in der Fotografie. Denn eines sagt er klar: „Ich mache mir nicht viel aus Pracht-Fotobänden.“ Das Sehen war für ihn der zentrale Sinn, um sich die Welt zu erschließen: „(…) ein gutes Auge gehört zum Handwerkszeug des Schriftstellers“, heißt es im Bekenntnis zur Trümmerliteratur (1952). Für seinen Roman Frauen vor Flußlandschaft (1985) bat Böll seinen Sohn René um Fotografien ausgesuchter Orte in Bonn, die dann im Roman beschrieben werden. Aufnahmen und entsprechende Textstellen werden in der Präsentation zusammengeführt.
Bölls Verhältnis zur Fotografie kommt ebenso in seinen Romanen und Geschichten über Fotografen und Fotografien zum Ausdruck. Als Motiv und Metapher taucht die Fotografie wiederholt auf, besonders prägnant in Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral (1963). Anhand von etwa 50 Exponaten aus Bildern, Büchern und Texten wird die vielfältige Auseinandersetzung Bölls mit der Fotografie gezeigt.