Als Josef Haubrich der Stadt Köln unmittelbar nach Ende des 2. Weltkriegs, im Jahr 1946 seine Kunstsammlung übergab, schien es den Kölnern wie eine Botschaft aus einer besseren Welt. Längst verloren geglaubte Bilder von deutschen Expressionisten und anderen Vertretern der Klassischen Moderne, die im Krieg verfolgt wurden und als „entartet“ galten, gehörten plötzlich den Bürgern der Stadt. Dass er damit den Grundstein für die Sammlung des Museum Ludwig legen sollte – und damit für eines der bedeutendsten Museen für moderne und zeitgenössische Kunst in Europa – lag noch in ferner Zukunft.
Heute gilt die Sammlung des Museum Ludwig dank der großzügigen Schenkung des Kölner Rechtsanwalts Haubrich als eine der bedeutendsten des Expressionismus in Europa, berücksichtigt aber auch Neue Sachlichkeit und andere Tendenzen der Klassischen Moderne. Bereits in den 1920er Jahren begann er damit, Werke zeitgenössischer vorwiegend deutscher Künstler zusammenzutragen, darunter solche Glanzstücke wie das Porträt des Doktor Hans Koch von Otto Dix, (1921, das erste moderne Gemälde überhaupt in der Sammlung) oder Die Schwärmer von Emil Nolde (1916) sowie der berühmte Halbakt mit Hut von Ernst Ludwig Kirchner (1911), der bereits 1925 auf der Biennale von Venedig ausgestellt wurde. Darüber hinaus zählen Werke von Marc Chagall, Karl Hofer, Heinrich Hoerle, Wilhelm Lehmbruck oder Paula Modersohn-Becker zu den Hauptwerken der Sammlung. Aquarelle bilden den Grundstock, Gemälde die Substanz, ausgewählte Skulpturen ergänzen die Kollektion.
Das Museum Ludwig beherbergt außerdem eine bedeutende Sammlung von Werken Max Beckmanns, vor allem aus dem Besitz Lilly von Schnitzlers.
Genau 30 Jahre später sorgte eine weitere spektakuläre Schenkung für Aufsehen und führte nicht zuletzt zur Gründung des Museum Ludwig als eigenständige Institution: 1976 schenkte das Sammlerpaar Peter und Irene Ludwig der Stadt Köln seine einzigartige Sammlung von Kunst der 1960er und 70er Jahre mit zahlreichen Meisterwerken amerikanischer Pop Art, unter der Prämisse, dass die Stadt der neuen Sammlung ein eigenes Haus bauen möge. (Mehr zur Geschichte des Museum Ludwig)
Peter und Irene Ludwig begeisterten sich schon Mitte der 1960er Jahre für die Kunst amerikanischer Pop Art-Künstler, die damals in Deutschland noch eher unbekannt und revolutionär war und erst mit der documenta 4 in Kassel die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zog. Neben Roy Lichtensteins berühmter Blondine M-Maybe – A Girl’s Picture (1965) oder Claes Oldenburgs Soft Washstand aus demselben Jahr gelangte auch Tom Wesselmanns Great American Nude No. 98 (1967) direkt von der documenta in die Sammlung Peter Ludwigs – heute zählen sie zu den Highlights der Sammlung des Museum Ludwig und damit zur größten Pop Art – Sammlung außerhalb der USA. Die Ludwigs – hatten sie bis dahin vorrangig antike und mittelalterliche Kunst gesammelt – waren fasziniert von der Direktheit und der Frische des Realitätsbezuges dieser Künstler. Roy Lichtenstein, Andy Warhol, Claes Oldenburg, James Rosenquist, Robert Rauschenberg und Jasper Johns gehörten ihrer eigenen Generation an, ihre Werke verkörperten ein modernes Lebensgefühl, vermittelten eine Jetztzeitigkeit, die anders war als die zeitlose Gültigkeit im Oeuvre Picassos, dessen Werke Peter und Irene Ludwig mit vergleichbarer Intensität sammelten.
Die Sammlung des Museum Ludwig lässt sich nicht hinreichend beschreiben, ohne auf die Werke des Jahrhundert-Künstlers Pablo Picasso einzugehen, die sie beherbergt. Dank dreier Schenkungen von Peter und Irene Ludwig – die letzte anlässlich der Wiedereröffnung des Hauses nach dem Auszug des Wallraf-Richartz-Museums in ein eigenes Gebäude – hat Köln heute die drittgrößte Picasso-Sammlung nach Paris und Barcelona. Darunter sind nicht nur Gemälde aus allen Schaffensphasen wie der Harlekin (1923) oder die Frau mit Artischocke (1941), sondern auch zahlreiche Keramiken und Skulpturen, wie die Originalgipse der Frau mit Kinderwagen (1950) oder des monumentalen Kopfes Dora Maars (1941).
Dass Picasso zeit seines Lebens der Zeichnung und der Druckgrafik einen sehr großen Stellenwert in seinem Werk beigemessen hat, zeigt sich auch in der Sammlung des Museum Ludwig: Es besitzt als einzige öffentliche Institution alle drei großen druckgrafischen Zyklen des Meisters, die Suite Vollard (1930-37), Suite 345 (1968) und Suite 156 (1970-71) – und daneben zahlreiche weitere grafische Werke.
Neben der amerikanischen Kunst gelangte auch die umfassende Sammlung Russischer Avantgarde der Ludwigs aus den Jahren 1905 - 1935 als Schenkung an das Museum Ludwig. Künstler wie Natalia Gontscharowa, Michail Larionow, Alexander Rodschenko oder Kasimir Malewitsch glaubten an die Utopie einer Kunst, die im Dienst einer klassenlosen Gesellschaft stehen sollte. Sie sind heute, zusammen mit vielen weiteren Zeitgenossen im Museum Ludwig vertreten, das mit über 600 Arbeiten die wichtigste öffentliche Sammlung russischer Kunst im Westen präsentieren kann.
Mark Rothkos leuchtend meditative Farbfelder, die grafischen Musterbilder von Frank Stella, Jackson Pollocks berühmte Drip-Paintings oder die reduzierten bunten Farbstreifen von Morris Louis sind nur Beispiele für die bedeutende Sammlung abstrakter Tendenzen aus den 60er Jahren im Museum Ludwig. Dass diese sich nicht nur auf Gemälde beschränkt, zeigen die Werke von Minimal- und Konzeptkünstlern wie Donald Judd, Carl André und Eva Hesse oder die abstrakten Skulpturen von David Smith.
Die Sammlung des Museum Ludwig spiegelt außerdem frühere abstrakte Tendenzen der 50er und 60er Jahre aus Europa, etwa von Jean Dubuffet, Lucio Fontana, Pierre Soulages, Wols oder Hans Hartung. Künstler des deutschen Informel, wie K. O. Götz oder Bernard Schultze, dessen Nachlass das Museum Ludwig seit 2005 bewahrt, sind ebenfalls vertreten.
Als Mitte der 1960er Jahre die amerikanische Pop Art auch in Deutschland bekannt wurde und mit der Ausstellung Kunst der sechziger Jahre – Sammlung Ludwig im Kölner Wallraf-Richartz-Museum hierzulande zum ersten Mal öffentlich ausgestellt wurde, blieb dies von der jungen Künstlergeneration im Rheinland nicht unbemerkt. Gerhard Richter und Sigmar Polke bezogen sich in ihren Werken direkt auf diese völlig neue Kunst aus den USA, wobei Polke die Motive der Pop Art einsetzte, um durch deren Beliebigkeit jegliche inhaltliche Bedeutung in Frage zu stellen, während Richter wie Warhol fotografische Vorlagen aus den Medien und dem privaten Umfeld nutzte, um sie in seinen Gemälden „unscharf“ zu vergrößern. Beide Künstler wurden schon früh von den Ludwigs entdeckt und sind heute mit kapitalen Werken in der Sammlung des Museums vertreten.
In den 1970er und 1980er Jahren entwickelte sich das Rheinland, besonders Köln und Düsseldorf zum Zentrum des internationalen Kunstbetriebs, was sich auch in der Sammlung des Museums zeigt: Spielte die Düsseldorfer Akademie mit dem Lehrer Joseph Beuys eine wichtige Rolle für eine neue, die Gattungsgrenzen überschreitende Kunst – Beuys und zum Beispiel sein Schüler Jörg Immendorff sind mit bedeutenden Werken im Museum Ludwig vertreten –, so machte der „Hunger nach Bildern“ die Malerei von A.R. Penck sowie Georg Baselitz und Markus Lüpertz bekannt. Das Museum Ludwig erwarb in den 1980er Jahren zentrale Werkgruppen der Künstler. Zeitgleich begann eine neue Generation mit anarchischem Witz und subtilem Humor neue künstlerische Standpunkte einzunehmen: Die Werke von Martin Kippenberger, Markus Oehlen, Georg Herold und Rosemarie Trockel in der Sammlung des Museum Ludwig gehören zu den wichtigsten Vorbildern für die aktuelle Kunst.
Im Dialog mit der Sammlung werden bis heute immer neue Akzente gesetzt. So wurden in den letzten zehn Jahren ergänzend zum Malereischwerpunkt der Sammlung wichtige Skulpturen und Installationen erworben von Künstlern wie Georges Adéagbo, Stephen Prina, Cady Noland, Isa Genzken und Phyllida Barlow. Internationale Künstler und Künstlerinnen, die in den 1990er Jahren mit ihren Ausstellungen und Arbeiten im Rheinland einflussreich waren wie Andrea Fraser, Christian Philipp Müller, Christopher Wool, Christopher Williams und Mike Kelley, sind heute ebenfalls in der Sammlung vertreten. Darüber hinaus wird mit gezielten Ankäufen von Arbeiten junger Künstlerinnen und Künstler kontinuierlich an die Gegenwart angeknüpft. Neue kritische Positionen zur Malerei, für die Lucy McKenzie steht, performative Arbeiten wie die von Roman Ondak oder Videoinstallationen von Clemens von Wedemeyer bereichern heute die Sammlung.
1986 begründete das Museum Ludwig seine Videosammlung, um den eigenständigen Status künstlerischer Arbeiten in bewegten Bildern zu betonen. Dabei waren es bereits in den 1970er Jahren und vor der Gründung des Museum Ludwig Filme von Bruce Nauman, Ed Ruscha, Richard Serra oder Bruce Conner, die in die Sammlung des Wallraf-Richartz-Museum eingingen und sich jetzt im Museum Ludwig befinden. Heute werden alle Filme, Videos, Toninstallationen, Medienkunstwerke und Performances als Teil der zeitgenössischen Kunst gesammelt und ausgestellt.
Weniger bekannt und auch nicht in diesem Umfang im Haus vertreten, aber dennoch für das Profil des Museum Ludwig wichtig, sind die Arbeiten von Künstlern aus Afrika, Asien und Lateinamerika, Xu Bing, Bing Yang, Cai Guo-Qiang, Hague Yang sowie Kyoung Jae Cho, Bodys Isek Kingelez und Georges Adéagbo, um nur einige zu nennen. Diese Ausrichtung wird in der Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen.
Die Grafische Sammlung des Museum Ludwig beherbergt rund 3000 Zeichnungen und fast 10.000 Druckgrafiken. Bestände, die vorwiegend wohlwollenden Förderern zu verdanken sind. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Expressionismus, ein weiterer auf grafischen Arbeiten Picassos.
Zudem beherbergt das Museum die gesammelten Editionen von Marcel Broodthaers, Sigmar Polke und Lucy McKenzie. Die Sammlung wird durch Ankäufe und Schenkungen, u. a. von Georg Baselitz, David Shrigley, Sister Corita, Maria Lassnig, Bethan Huws und Caroll Dunham stets weiter in die Gegenwart geführt.
Das Museum Ludwig gehört zu den ersten Museen moderner und zeitgenössischer Kunst, die der Fotografie eine eigene Sammlung widmeten. 1977 wurde die Fotoabteilung gegründet – sie bewahrt heute eine der größten und bedeutendsten Sammlungen von Fotografien des 19. Und 20. Jahrhunderts (Mehr zur Fotografischen Sammlung des Museum Ludwig).
Dabei ist die Sammlung in den letzten Jahrzehnten durch Ankäufe und Schenkungen von Arbeiten von Andreas Gursky, Thomas Ruff, Wolfgang Tillmans oder Sherrie Levine, um nur einige wenige zu nennen, bis in die Gegenwart fortgeführt worden.
Die Tradition des Sammelns und Stiftens lässt das Museum Ludwig immer wieder aufleben: Mit der großen Ausstellung zur Wiedereröffnung des Hauses – Museum unserer Wünsche (11. November 2001 bis 28. April 2002) unter dem damaligen Direktor Kasper König – wurde direkt an den Bürgersinn der Kölner und an alle Museumsbesucher appelliert, sich aktiv an der Gestaltung der Sammlung zu beteiligen und ausgewählte Kunstwerke anzukaufen, um sie dem Museum zu schenken.
Die Sammlung wird seitdem konsequent um substantielle Positionen zeitgenössischer Kunst erweitert, denn eine Sammlung ist nie abgeschlossen.