An­na Boghiguian (geb. 1946 in Kairo) wird mit dem 30. Wolf­gang-Hahn-Preis der Ge­sellschaft für Mod­erne Kunst am Mu­se­um Lud­wig aus­gezeich­net. Die Preisver­lei­hung fin­d­et am 8. Novem­ber 2024 um 18:30h im Museum Lud­wig statt.

Die ägyp­tisch-ka­nadische Kün­st­lerin ar­menisch­er Herkunft zählt seit ihren Teil­nah­men an den Bien­nalen von Is­tan­bul 2009 und Shar­jah 2011 und an der documenta 13 in 2012 zu ein­er der span­nend­sten Po­si­tio­nen der Ge­gen­wart­skunst. Bekan­nt ist sie für ihre fig­u­ra­tiv­en Wand­malereien, (No­tiz-)Büch­er, Zeich­nun­gen, Gemälde, Fo­to­gra­fien und Skulp­turen und auch für einige spek­takuläre groß­for­matige In­s­tal­la­tio­nen. Boghiguians Arbeit­en ent­ste­hen oft spon­tan und häu­fig vor Ort. Sie gilt als ein­fühl­same Beobach­terin des men­sch­lichen Da­seins und ver­mit­telt eine In­ter­pre­ta­tion des zeit­genös­sischen Lebens, in der sie in­haltlich äußerst klug zwischen Ver­gan­gen­heit und Ge­gen­wart, Dich­tung und Pol­i­tik, Geschichte und Lit­er­a­tur oszil­liert. Ihre Kunstw­erke feiern eine glob­al vere­inte Men­sch­heit und neh­men die Nach­wirkun­gen von Geschichtsver­läufen und ihren Kon­f­lik­ten in den Blick, um über eine kün­st­lerische Au­far­bei­tung Op­tio­nen für die Zukunft aufzuzeigen.

Ihre Werke, in de­nen sie ver­bale und vi­suelle Darstel­lungs­for­men mitei­nan­der verknüpft, wirken un­mit­tel­bar und emo­tio­n­al. The­ma­tisch verbin­den sie das fundierte his­torische Wis­sen der Kün­st­lerin mit ihrem Ge­spür für aktuelle De­bat­ten, wen­n­gleich sie in ihr­er Aus­führung wie ein Ge­gen­pol zur Op­tik ein­er tech­nisierten digital­en Welt wirken. Boghiguians einzi­gartige kün­st­lerische Po­si­tion in Aus­druck und Emo­tio­n­al­ität hat in Deutsch­land noch nicht die Beach­tung er­fahren, die ihre au­then­tische Ex­pres­siv­ität ver­di­ent.

Car­o­lyn Chris­tov-Bakargiev, Gastjurorin, er­läutert zur No­minierung von An­na Boghiguian: Die Poe­sie und Einzigartigkeit ihres Werkes sowie ihre Di­rek­theit und Ex­pres­siv­ität passen ide­al zur Samm­lung des Mu­se­um Lud­wig mit ihren starken ex­pres­sion­is­tischen Po­si­tio­nen. An­na Boghiguian ist erst in den let­zten zehn Jahren in­ter­na­tio­n­al bekan­nt ge­wor­den, so dass dies­er Preis nicht für ein Leben­sw­erk, son­dern für eine hochaktuelle Kün­st­lerin vergeben wird. Sie ist ganz und gar zeit­genös­sisch in ihren The­men und in den Verbin­dun­gen, die sie durch ihre Lek­türen, Reisen und In­ter­ne­trecherchen zwischen his­torischen Geschicht­en und poli­tischen und äs­thetischen Diskus­sio­nen unser­er ge­gen­wärti­gen Welt zie­ht“.

„Es freut mich ganz außeror­dentlich, dass An­na Boghiguian den Wolf­gang-Hahn-Preis 2024 er­hält. Mit ihr wird eine Kün­st­lerin gewürdigt, deren Werk gleicher­maßen poli­tisch und po­etisch ist. Darüber hi­naus lassen sich in ihren fig­u­ra­tiv­en In­s­tal­la­tio­nen vielfältige Bezie­hun­gen zur Malerei des 20 Jahrhun­derts im Mu­se­um Lud­wig her­stellen. Sollte sie ihr­er grund­sät­zlichen kün­st­lerischen Praxis fol­gend für das Mu­se­um eine neue Ar­beit anferti­gen, wäre dies außeror­dentlich er­freulich und aufre­gend,“ erk­lärt Yil­maz Dziewior, Di­rek­tor des Mu­se­um Lud­wig.

Mayen Beck­mann, Vor­s­tandsvor­sitzende der Ge­sellschaft für Mod­erne Kunst, ergänzt: „An­na Boghiguian ist eine Kün­st­lerin, die in großer Frische und In­ter­na­tio­n­al­ität Bilder fin­d­et, die auf unsere heuti­gen Probleme und Ereig­nisse reagieren und das men­sch­liche Sein auf der Grund­lage präzis­er his­torisch­er Ken­nt­nisse reflektieren. Wie eine No­madin zie­ht sie von Ausstel­lung zu Bien­nale und nutzt beschei­den­ste, oft vor Ort gefun­dene Ma­te­rialien, um in ver­schie­de­nen Me­di­en ihre Ideen sicht­bar zu machen. So ent­ste­hen lebendig­ste Zeich­nun­gen und raum­greifende, tex­tun­ter­legte In­s­tal­la­tio­nen. In die­sen zeigt sie ihre An­lie­gen auf, die letzlich uns­er aller An­lie­gen und Be­d­ingtheit­en in fast scha­manisch­er Weise sicht­bar machen“.

Die Tochter eines ar­menischen Uhr­mach­ers studierte in den 1960er Jahren Pol­i­tik­wis­sen­schaft und Wirtschaftswis­sen­schaft an der Amerikanischen Uni­ver­sität in Kairo. In den frühen 1970er Jahren zog An­na Boghiguian nach Ka­na­da und studierte Kunst und Musik in Mon­tre­al. Sie ist ihr ganzes Leben lang gereist und pflegt eine kos­mopoli­tische Kul­tur. Boghiguian hat ihr Ate­li­er und ihren Wohn­sitz in Kairo, lebt und ar­beit­et aber auch in Eu­ro­pa, Asien, Afri­ka und Ameri­ka. 2003 nahm sie an der Wan­der­ausstel­lung “Con­tem­po­rary Arab Rep­re­sen­ta­tion” teil und an der 11. und 14. Is­tan­bul Bien­nale in 2009 and 2015, an der Sao Pau­lo Bien­nale in 2014 und in 2023 und sie hatte u.a. Einze­lausstel­lun­gen im Castel­lo di Rivoli in Turin, im Kun­sthaus Bre­genz, 2021-2022 im Mu­se­um für Ge­gen­wart­skunst Sie­gen und im SMAK in Gent. 2015 ge­wann sie dem Gol­d­e­nen Löwen für den besten Pav­il­lon (Ar­me­nien) auf der 56. Bien­nale von Venedig.

Der Wolf­gang-Hahn-Preis wird jähr­lich von der Ge­sellschaft für Mod­erne Kunst am Mu­se­um Lud­wig vergeben, 2024 zum 30. Mal. Mit der Auszeich­nung sollen vor­rangig zeit­genös­sische Kün­stler:in­nen geehrt wer­den, die sich in der Kunst­welt durch ein in­ter­na­tio­n­al an­erkan­ntes Œu­vre bere­its ei­nen Na­men ge­macht haben, in Deutsch­land aber noch nicht so bekan­nt sind, wie sie es ver­di­e­nen. Das Preis­geld in Höhe von max­i­mal 100.000 Eu­ro set­zt sich aus den Beiträ­gen der Mit­glied­er zusam­men und fließt in den Er­werb eines Werks oder ein­er Werk­gruppe der Kün­stler:in­nen für die Samm­lung des Mu­se­um Lud­wig. Mit dem Preis ver­bun­den sind vom Mu­se­um Lud­wig or­gan­isierte Ausstel­lun­gen der er­wor­be­nen Ar­beit(en) der Preisträger*in­nen sowie die Her­aus­gabe ein­er be­glei­t­en­den Pub­lika­tion.

Der Name des Preis­es ehrt das An­denken an den pas­sionierten Köl­n­er Samm­ler und Gemälder­es­tau­ra­tor Wolfgang Hahn (1924–1987), der sich in vielfältiger Hin­sicht für die Kunst der eu­ropäischen und amerikanischen Avant­garde in Köln en­gagierte. Die Ge­sellschaft für Mod­erne Kunst fühlt sich seinem vorbildlichen Wirken als Samm­ler, als ihr Grün­dungs­mit­glied und als Leit­er der Res­tau­rierungsw­erk­stät­ten des Wall­raf-Richartz-Mu­se­um und des Mu­se­um Lud­wig verpflichtet.