»Von Zeit zu Zeit eine Straße beobachten, vielleicht mit etwas systematischer Aufmerksamkeit. / Sich dieser Beschäftigung hingeben. Sich Zeit lassen. / Den Ort aufschreiben: die Terrasse einer Kneipe in der Nähe der Kreuzung Bac-Saint-Germain / die Zeit aufschreiben: sieben Uhr abends / das Datum aufschreiben: 15. Mai 1973 / das Wetter aufschreiben: schön (...) / Sich zwingen, das zu schreiben, was ohne Bedeutung ist, was das Selbstverständlichste, das Allgemeinste, das Glanzloseste ist.« Was Georges Perec 1974 in Paris so liebevoll in Worte fasst (dt. in: »Träume von Räumen«), könnte man auch für eine poetische Handlungsanweisung für die künstlerische Praxis von Eric Hattan halten. Eric Hattan ist ein Künstler, der aus dem bereits Vorhandenen schöpft. Was er sieht, animiert ihn, etwas damit zu machen. Gerne agiert er mit dem kleinstmöglichen Eingriff – er verschiebt, verrückt, verlagert, invertiert –, um das Vorgefundene zu bergen und zu inszenieren. Kunst ist für ihn nicht Selbstzweck; sie dient ihm dazu, alltägliche Situationen in ein neues Licht zu rücken und damit die vermeintliche Statik derjenigen Konstellationen zu durchbrechen, die unsere Vorstellung von Wirklichkeit prägen.
Aus Anlass des 10-jährigen Jubiläums von Kolumba erkundet Eric Hattan das Museum vor und hinter den Kulissen. Er untersucht weniger die Architektur, sondern befragt vor allem Ordnungssysteme und Handlungsmuster, die eine Institution wie ein Kunstmuseum lebendig halten und prägen. Was wäre, wenn man die Dinge auf den Kopf stellen würde? Eric Hattan macht Inventur (lat. invenire: auf etwas stoßen, etwas entdecken); was er entdeckt und in seiner Arbeit zusammenführt, wird nach Ablauf der Ausstellung wieder in den ursprünglichen Funktionskontext überführt. »Widerspruch: zwischen meinem Vergnügen, physisch Material für die Realisation eines Werkes zu bearbeiten, und dem Willen, kein neues Ding in die Welt zu setzen, sondern lediglich Bestehendem Aufmerksamkeit zu verschaffen.« (EH, 1996) Obwohl seine Arbeit von skulpturalen Fragestellungen bestimmt ist, liegt ihr Fokus auf einer am Prozess der Veränderung orientierten Erfahrung. Es ist nicht wie herkömmlich der Künstler, der hier sein Innerstes offenbart – diese Rolle gehört dieses Mal dem Auftraggeber.
Eric Hattan, *1955 in Wettingen, lebt in Basel und Paris. Zahlreiche Ausstellungen vor allem in Frankreich, der Schweiz und Deutschland. Zuletzt: 2005 Vous êtes chez moi, FRAC Alsace Séléstat; 2011 Schnee bis im Mai, Kunsthalle Nürnberg (gemeinsam mit Silvia Bächli); 2014 Habiter l’inhabituel, FRAC PACA Marseille; 2015 Mitten in Pulheim, Stadtbildintervention Pulheim; 2017 Situer la différence, CCS Paris (gemeinsam mit Silvia Bächli).