Mit Tina Schwarz und Robert Fry stellt unsere Galerie erstmals zwei malerische Positionen gegenüber, die in ihren Gemälden mit dem Körper als Träger allgemein menschlicher Emotionen und Gefühle arbeiten. Ungeachtet der Unterschiede in Thematik, Motivik und künstlerischem Ausdruck zeichnen sich die Werke beider durch die Kombination abstrakter und gegenständlicher Formen sowie die Verwendung einer Vielzahl malerischer Modi in ein und demselben Bild aus. Die Betrachter sind eingeladen, die imaginären Assoziationsräume beider Künstler zu betreten, in denen eine Vielzahl von Themen anklingen. Eindeutige Aussagen werden aber bewusst zugunsten einer inszenierten Mehrdeutigkeit vermieden.
Der 1980 in London geborene Robert Fry arbeitet stets in Werkgruppen oder Serien. In der Konzentration auf den menschlichen Körper sind seine Gemälde den Werken von Lucien Freud oder Francis Bacon verwandt, daneben finden sich Einflüsse von Künstlern wie Willem De Kooning, Robert Motherwell oder Mark Rothko. Die wechselhaften Beziehungen der Geschlechter sowie das oftmals spannungsvolle Verhältnis von Individuum und Anderem, von Geist und Körper sind zentrale Themen seiner Malerei.
Seine aktuellen Gemälde bezeichnet der Künstler als „Square Paintings“, großformatige, quadratische Leinwände, die von Gegensätzen geprägt sind: Figuration vs. Abstraktion, Körper vs. Fläche, Ornament vs. Geste…. Sie zeigen vier menschliche Körper, männliche ebenso wie weibliche, umgeben von einem abstrakten Farbraum. Die silhouettenhaft wiedergegebenen Figuren sind mal monochrom, mal mit farbigen, geometrischen Feldern gefüllt. Wieder andere sind mit Körperteilen und Gesichtern versehen, die mit wenigen, gezielt gesetzten Strichen gezeichnet sind. Spuren des Gestischen wie Tropfen, Farbspritzer oder kraftvoll gezogene Linien und Linienknäuel überlagern streng definierte Farbflächen, lasierend gestaltete Partien stehen neben solchen, in denen die dick aufgetragene Farbe zur körperlich fassbaren Materie wird. Buchstaben, die sich nicht immer sofort zu Wörtern zusammenfügen, treten ergänzend hinzu. Der bildimmanente Rahmen – ein Charakteristikum aller Werke von Robert Fry – ist auf zwickelartig die vier Ecken des Bildfeldes ausfüllende Formen reduziert und wird erstmals auch von den Figuren partiell überschnitten.
Neue Radierungen, in denen der Künstler seine Untersuchungen des Raums weiterführt und dabei motivisch auch an frühere Werkgruppen anknüpft, runden die Ausstellung ab.
Robert Fry studierte in Oxford und war für den angesehenen John Moores Contemporary Painting Preis nominiert. 2016 wurden Werke von ihm gemeinsam mit namhaften KünstlerInnen wie Marina Abramovic, Louise Bourgeois, Paul Cézanne, Tracey Emin oder Egon Schiele in der Ausstellung „The Nude in the XX & XXI Century“ bei S|2 in London gezeigt, 2015 wurde er als einer der „100 Painters of Tomorrow“ in der gleichnamigen Publikation bei Thames and Hudson hervorgehoben. Seine Werke waren in der Eremitage in St. Petersburg, in Los Angeles und im Rahmen zahlreicher Ausstellungen in Europa zu sehen und finden sich in bedeutenden öffentlichen und privaten Sammlungen wie der Saatchi Collection, dem Museum für Moderne Kunst in Moskau oder der Sammlung von Mario Testino.
Tina Schwarz (*1977 in Friedberg) weilte 2016 im Rahmen einer Residency von Hooper Projects für längere Zeit in Los Angeles. Bevor sie an der Akademie in Maastricht Bildende Kunst studierte, war sie als Tänzerin an der Dansacademie in Arnhem eingeschrieben. Es erscheint daher beinahe folgerichtig, dass sich ihre Werke bis heute durch eine Körperlichkeit auszeichnen, die immer auch Spuren der Bewegungen im Prozess des Malens sind. „Ein Körper erzählt die Geschichte seines ‘Wirtes’“, schreibt Tina Schwarz, „und so mag es sein, dass das Durchmessen der Leinwand mit Ölfarbe, Kreide, Stiften etc. die einzige pure Form meiner Erinnerung ist.“ Erinnerung ist innere Bewegung, und auf den Bildern von Tina Schwarz wird diese Bewegung zur sichtbaren Form. Das Physische erscheint als Ausdruck des Psychischen, das Impulse gibt, die sich dem Bewusstsein ebenso wie dem Unbewussten verdanken.
Die neuen Werken von Tina Schwarz zeigen mehrere Figuren in unterschiedlichen Konstellationen. Tanzend scheinen sie sich gegenseitig von der Leinwand schieben zu wollen. Gegensätze und Widersprüche lässt die Künstlerin nicht nur stehen, sondern inszeniert diese: Momente der Eskalation stehen neben einer Relativierung der Zeit durch ein Einfrieren dynamischer Prozesse, skizzenhafte Partien werden kontrastiert durch detaillierter ausgeführte Bereiche, Farbe steht neben Zeichnung, Vielfalt neben Reduktion.
Oft gibt es literarische Anregungen, aber auch die Zeichnungen und Grafiken der Alten Meister dienen als Inspiration für ihre Gemälde und die parallel entstehenden Zeichnungen und Collagen: Rembrandt, Hieronymus Bosch, Pieter Bruegel, Goya, Velazquez, aber auch George Grosz, Otto Dix, Henri de Toulouse-Lautrec, Willem de Kooning, Francis Bacon. Künstler der Menschen und des Menschlichen.
Tina Schwarz verharrt jedoch nicht in der Paraphrase, sondern zielt auf eine Aktualisierung des Inhalts ebenso wie der künstlerischen Form. Oder anders: die thematischen und motivischen Anregungen zielen auf das Heutige, gespiegelt in der Historie. Am Zeitlosen orientiert, ohne das Zeitgenössische zu verleugnen strebt sie nach Gleichnishaftem und errichtet zugleich ein polyfokales Labyrinth aus Ungewissheiten.
Die Werke von Tina Schwarz wurden im Rahmen zahlreicher Ausstellungen in den USA und Europa präsentiert und finden sich beispielsweise in der Rema Hort Mann Foundation in New York. Hervorzuheben ist ihre Beteiligung an der Ausstellung „Ein Zimmer für Alfred Flechtheim“ im Osthaus Museum in Hagen 2015 sowie ihre Teilnahme an einer Ausstellung in Münster anlässlich der Skulptur Projekte 2017.
Für Fragen oder weitere Informationen zu unserer Ausstellung und den beiden KünstlerInnen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.