"Surreale Sachlichkeit" gibt es nicht – oder doch? Ausgehend von den Werken der Nationalgalerie, die über einen reichen Bestand aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen verfügt, wirft die Ausstellung einen neuen, durch den Surrealismus geschärften Blick auf das Phänomen der Neuen Sachlichkeit. Tatsächlich haben diese Kunstrichtungen mehr gemeinsam, als man zunächst vermuten möchte. Anfang der 1920er-Jahre waren sie nahezu zeitgleich in Frankreich und Deutschland entstanden: 1924 erschien das erste Manifest der Pariser Surrealisten. 1925 präsentierte die Mannheimer Kunsthalle die neuesten Tendenzen in der deutschen Kunst unter dem Titel "Neue Sachlichkeit" – und schuf damit den Begriff für ein gesamteuropäisches Phänomen, das noch im selben Jahr als "Magischer Realismus" bezeichnet wurde.
Beide Bewegungen – der Surrealismus wie die Neue Sachlichkeit – sind in Reaktionen auf die historischen Avantgarden entstanden, die mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges ausgedient hatten. Nunmehr ging es weniger um die Erkundung der eigenen Bildmittel, den individuellen künstlerischen Ausdruck oder Stil als vielmehr darum, zu einer neuen ganzheitlichen Weltsicht zu gelangen. Für die Surrealisten wie für die Künstler der Neuen Sachlichkeit trat die subjektive Sicht des Künstlers zugunsten einer "objektiven" Betrachtungsweise zurück, in der sich die gesellschaftliche Realität gleichsam wie von selbst offenbarte – mit ihren neuzeitlichen Errungenschaften, aber auch mit ihren psychischen Abgründen.
Die Ausstellung präsentiert ein breites Spektrum von Künstlern der Neuen Sachlichkeit. Dazu gehören Berühmtheiten wie Otto Dix, Christian Schad und Alexander Kanoldt, aber auch weniger bekannte Maler wie Paula Lauenstein, Fritz Burmann oder Curt Querner. Ihre Bilder treffen auf ausgewählte Werke von Max Ernst, René Magritte und anderen Surrealisten, die den Blick auf das Sonderbare, Geheimnisvolle, mitunter sogar Absurde der Neuen Sachlichkeit lenken. Der surreale Anteil einer Bewegung wird deutlich, der den Werken, die vordergründig eine "Rückkehr zur Ordnung" verkünden, oftmals erst ihre eigentliche Tiefendimension verleiht.