Nach der letztjährigen erfolgreichen Ausstellung Das Glas der Architekten in den Räumlichkeiten von Le Stanze del vetro in Venedig, bei der über 300 Gläser aus der Zeit von 1900 bis 1937 – großteils aus der Sammlung des MAK – gezeigt wurden, ist die Gesamtschau nun erstmals in Wien zu sehen. Als Glasentwerfer bestimmten die Architekten der Wiener Moderne Form und Technik der Erzeugnisse maßgeblich mit, wodurch sich Glas in dieser Periode als Material der Moderne etablierte.
Eine Gruppe junger Architekten – Studenten der Wiener Akademie der bildenden Künste unter Otto Wagner, der Kunstgewerbeschule und der Technischen Universität – entwickelte ein besonderes Interesse an der Formgebung von Glas. Der Kontakt mit in Wien etablierten Glasmanufakturen wie E. Bakalowits & Söhne und J. & L. Lobmeyr sowie mit Reformkunstbewegungen wie der „Vereinigung Bildender Künstler Österreichs – Wiener Secession“, der Wiener Werkstätte oder dem Österreichischen Werkbund sicherte die Realisierung radikal neuer Formkonzepte durch Produzenten wie Johann Loetz Witwe. Heute weltbekannte Protagonisten der Wiener Moderne wie Josef Hoffmann (1870–1956), Koloman Moser (1868–1918), Joseph Maria Olbrich (1867–1908), Leopold Bauer (1872–1938), Otto Prutscher (1880–1949), Oskar Strnad (1879–1935), Oswald Haerdtl (1899–1959) und Adolf Loos (1870–1933) lancierten bahnbrechend neue Entwürfe für Zier- und Gebrauchsglas.
Im Sinne der Reform des Unterrichts an der Wiener Kunstgewerbeschule und entsprechend dem von der Wiener Werkstätte vertretenen Credo einer gleichberechtigten Zusammenarbeit von Entwerfer und ausführendem Handwerker, arbeiteten die Architekten nicht nur am Entwurf, sondern auch in den Glashütten vor den Glasöfen. Mit dieser Nähe zur Fertigung, die Otto Wagner und Adolf Loos in ihrer neuen Definition der Rolle des Architekten propagierten, schöpften sie die Möglichkeiten des Mediums Glas bestmöglich aus.
Wiener Kunstglas nach Architektenentwurf wurde zu einem fixen Bestandteil und Markenzeichen in den wichtigen Reformkunstausstellungen, von der VIII. Secessions-Ausstellung in Wien 1900 über die Werkbund-Ausstellung in Köln 1914 bis zur Exposition internationale des Arts décoratifs et industriels modernes in Paris 1925, sowie im Sortiment der Wiener Werkstätte.
Die Ausstellung gliedert die Entwicklung vom neuen Glas zum modernen Glas in Wien in sieben Kapitel und behandelt Themen wie das Glas in der Wiener Werkstätte, Kriegsgläser, Bronzitglas, die klassizistischen Gläser nach Entwürfen Josef Hoffmanns und die Gläser aus den Fachschulen. Die Glasarbeiten in der Ausstellung werden um Entwürfe von Architekten der Wiener Moderne ergänzt sowie um Fotografien, die damalige Ausstellungen dokumentieren und so die außergewöhnliche Wirkung dieser radikal modernen Objekte auf die Öffentlichkeit nachvollziehbar machen.