Fragt man nach den Gemeinsamkeiten von Konstruktivismus, Suprematismus, konkreter Kunst, Hard-Edge und Minimal Art, findet man sie in der Abstraktion. Ziel ist die Befreiung vom Gegenstandsbezug, gepaart mit einer Hinwendung zu einer Bildwirklichkeit, die sich aus Farben und Formen, aus Licht und Schatten konstituiert. Die „neue Abstraktion“ im 21. Jahrhundert kommt jedoch ohne den programmatischen Bezug zum Diskurs der historischen Moderne aus. Sie verfolgt auch keine ausschließlich rationalistische oder objektive Formfindung wie die Konkrete Kunst. Sie schöpft aus diesem Fundus, gewinnt jedoch ihren agilen, eigenständigen Charakter durch ihren subjektiven und individuellen Gestus.
Dabei liegt der Schwerpunkt der Ausstellung „Architektur und Abstraktion“ auf geometrisch konstruktiven Werken, deren Hauptinspirationsquelle die Architektur ist. Allen künstlerischen Positionen gemein ist die Formulierung eigener, unverwechselbarer Bild-Findungen bei gleichzeitigem Verzicht auf einen dokumentarischen oder abbildenden Charakter.
Die Fotografin Andrea Grützner konzentriert sich in ihrer neuesten Werkgruppe auf die Architektur der 1950er Jahre. Als Stipendiatin der „Koblenzer Stadtfotografen“ erkundete die Künstlerin im Sommer 2015 den öffentlichen Stadtraum mit einem Fokus auf Fassaden und ihre Raster, die sie in leuchtende, grafisch gestaltete Bildausschnitte übersetzt. Die Bilder, die sie dabei findet, sind malerische, abstrakte und surreale Fragmente, die nichts mehr mit dem zu tun haben, was wir täglich als städtische Architektur wahrnehmen. Andrea Grützners Medium ist zwar die Fotografie, ihre Arbeiten jedoch changieren zwischen Fotografie, Skulptur und Collage. Ihre Interessen betreffen die Wahrnehmung von Raum-, Geschichts- und Erinnerungsstrukturen ebenso wie visuelle Irritationen, das Vertraute und zugleich Ungewohnte.
Die Aufnahmen menschenleerer Licht-Räume in Museen, Klöstern und venezianischen Palazzi der Künstlerin Friedrike von Rauch eröffnen durch ihren kontemplativen Charakter dem Betrachter eigene Welten mit einem schier unendlichen Raum für Erzählungen und Geschichten. Meist außerhalb der Öffnungszeiten aufgenommen, entstehen ganz persönliche Rauminterpretationen, die den Charakter eines Ortes herausarbeiten und mit ruhiger Betrachtung eine emotionale Verdichtung hervorrufen. Die Fokussierung auf einen engen Bildausschnitt führt zu einem Verlust des Abbildungscharakters zugunsten einer stark abstrahierenden Darstellung. Der Farbe oder vielmehr der Farblosigkeit kommt eine zentrale Rolle zu. Friederike von Rauch fotografiert analog mit einer Mittelformatkamera und arbeitet ausschließlich mit dem vorhandenen Licht.
Tanja Rochelmeyer schafft in ihren Gemälden „Raum-Visionen“: leichte, fast schwebende Raumhybride, die sich auf die polydimensionale Struktur des Internets beziehen. Die Farbe ist in ihren Arbeiten Form und Inhalt gleichermaßen: mit Farbe formt die Künstlerin geometrische, labyrinthische Gefüge zersplitterter Räume, geprägt durch perfekte Farbverläufe in bestechender Klarheit. Dabei ist allen Werken in der Ausstellung gemein, dass ihr Hauptthema zwar die Räumlichkeit oder eine räumliche Seherfahrung ist, das Verhältnis von Grund und Figur, von oben und unten aber in der Schwebe bleibt; ja einzelne Arbeiten sogar keine eindeutige Ausrichtung haben und sie sowohl im Hoch- wie im Querformat funktionieren.
Als Gast von 68projects lotet der New Yorker Künstler Maximilian Schubert in seinen monochromen Arbeiten die Grenzen von Malerei und Skulptur sowie das Thema des „Trompe-l’oeil“ aus. Zunächst scheinen die Werke „Untitled“ weiße monochrome Leinwände zu sein, deren Oberflächengestaltung an den Faltenwurf eines Vorhangs erinnert. Tatsächlich aber sind die Gewebefalten gegossen. Den einzigen Hinweis, dass „nichts ist, wie es scheint“, erhält der Betrachter durch die Sichtbarkeit eines feinen Netzwerks von Rissen und vereinzelten Fehlstellen. Die Wand hinter dem Werk wird sichtbar.
Andrea Grützner (*1984) lebt in Berlin und ist Mitglied des Fotografenkollektivs Exposure Twelve. Sie studierte Kommunikationsdesign und Fotografie. Ihre Arbeiten waren in den letzten Jahren international in zahlreichen Solo- und Gruppenausstellungen ausgestellt; zuletzt im Kunstverein Lüneburg, in der Galerie Robert Morat, auf dem Beijing Foto Festival sowie im Rahmen der Ausstellung „Gegenspieler“ im Marta Herford Museum. Grützner war Preisträgerin des Preises „Gute Aussichten – junge deutsche Fotografie“, 2014/2015, des FOAM Talent Preises, 2016 wie auch des Pfalzpreises Kunst, Nachwuchspreis.
Friederike von Rauch (*1967) ist ausgebildete Silberschmiedin und studierte Industriedesignerin. Ihre Arbeiten waren in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland zu sehen, zuletzt in „Formes du Silence“ im Couvent de La Tourette, Eveux; „Zeitgeist. A Arte da nova Berlim“ im Goethe Institut Rio de Janeiro, Brasilia u.a.; Radikal Modern“, Berlinische Galerie, Berlin; „10“, Halle am Berghain, Berlin; „Ashes and Gold: A World’s Journey“, Marta Herford Museum und dem „Gabriele Münter Preis 2010“, Martin-Gropius-Bau, Berlin. Im Kontext verschiedener Atelierstipendien arbeitete von Rauch in Belgien, in den Niederlande und in Island. Ihre Arbeiten sind in staatlichen wie auch privaten Sammlungen im In- und Ausland vertreten.
Tanja Rochelmeyer (*1975) studierte an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Ihre Arbeiten wurden in den letzten Jahren zahlreich im In- und Ausland ausgestellt – darunter dem Studio d’Arte Cannaviello in Mailand, im Kontext der Ausstellung „Neue Malerei aus Deutschland“ im National Fine Arts Museum in Hanoi wie auch dem Goethe Institut in Hong-Kong, dem Kunsthaus Essen und bei fahnemann projects in Berlin. Rochelmeyers Arbeiten sind in internationalen Sammlungen vertreten.
Maximilian Schubert (*1983) studierte am Art Institute in Chicago. Seine Werke waren international ausgestellt, zuletzt in der Gruppenausstellung „Line“ in der Lisson Gallery in London. Seine Arbeiten sind in Sammlungen in den USA und Europa vertreten.