Die Galerie Mario Mazzoli freut sich, die erste Einzelausstellung des norwegischen Künstlers Kristoffer Myskja (*1985, Oslo) in Deutschland zu präsentieren.

Die Arbeiten der Ausstellung leben von der Faszination des Künstlers für den Übergang von der Alchemie zur modernen Wissenschaft. So finden sich in Myskjas Arbeiten typische Elemente beider Disziplinen und ihrer Methodiken. Die verwendeten Materialien (wie beispielsweise Quecksilber und Gold bei „Splitting the mercury drop in order to find balance“ oder bei „Covering up Gold“), die schwierige Balance zwischen entgegengesetzten Kräften („Governors“) und das rituelle Element („Smoking Machine“) verweisen auf die Alchemie.

Andererseits sind sowohl die Mittel und Verfahren, mit welchen er seine Arbeiten kreiert, wie auch seine Sorgfalt und seine ingenieurhafte Präzision kennzeichnend für den modernen Wissenschaftler.

Der bezaubernde Charakter der Arbeiten jedoch ist ein Ergebnis der außergewöhnlichen Fähigkeit des Künstlers, diese Elemente in Einklang zu bringen, indem er die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die Skulptur lenkt, die von mechanischer Natur ist, aber nichtsdestotrotz poetische, suggestive und hermetische Züge trägt.

Der Ausstellungstitel „Hermetic Mechanics“ deutet auf den versteckten und unergründlichen Charakter hin, der alle Arbeiten Kristoffer Myskjas verbindet und unterstreicht darüber hinaus deren vollständig geschlossene Systeme, unabhängige Mechanismen, die menschliche Interaktion gänzlich ausschließen. Myskja erschafft also Maschinen, die paradoxerweise unnütz sind, wobei er ihre Raison d’être abwandelt, die unverzichtbare Hilfe für menschliches Handeln bietet.

Ein Geist in der Maschine
Als Anfang des 19. Jahrhunderts das industrielle Zeitalter begann, setzte ein umfassender Wandel im Bereich der Produktion ein. Das alte Handwerk der Anfertigung von Schuhen oder Fässern – und eine Vielzahl anderer Dinge – wurde durch die Fähigkeiten von Maschinen ersetzt. Andererseits beraubte die Ausgliederung von Wissen, von Know-How an Maschinen jedoch der Menschheit ihr Gefühl für Ganzheit. Karl Marx bezeichnete diesen Effekt bekanntermaßen als Entfremdung; eine Erfahrung, bei der sich Techne, praktisches Wissen, in der Maschine materialisierte und der Mensch lediglich auf ein Zahnrad in der Produktion reduziert wurde.

150 Jahre später befinden wir uns noch immer in einer kapitalistischen Gesellschaft, wobei die Ausgliederung von Wissen, von Verständnis davon, wie Dinge zu tun sind, auf anderer Ebene gefährdet ist. Der französische Philosoph Bernard Stiegler hat uns in den letzten Jahren wiederholt darauf hingewiesen, dass Entfremdung nicht mehr nur auf die Anfertigung von Dingen beschränkt ist, sondern sich auf das Leben selbst, auf den Bios, ausgedehnt hat. Wir seien von Maschinen umgeben, oder vielmehr von Black-Boxen mit vorformatierten Standards, die angeben, wie wir zu handeln, zu denken und zu leben haben. Wenn wir, in unserem innersten sozialen und emotionalen Dasein, im Begriff seien, in ein weiteres entfremdetes Stadium zu gelangen, seien wir tatsächlich nicht nur Zahnräder in der Maschine, sondern selbst Maschinen, warnt Stiegler.

Was sollten wir tun? Mancher mag eine technikfeindliche Position anregen, in der auf digitale Maschinen per se, die in hohem Maße Teil der Gesellschaft sind, verzichtet werden sollte. Aber ein nostalgischer Utopismus, der auf die goldenen Zeiten zurück blickt, kann kaum eine Lösung darstellen. Eine andere Möglichkeit, mit diesem Problem umzugehen, könnte jedoch von pädagogischen Modellen vorgestellt werden, die uns unser Dilemma verständlich machen und uns an den Wert erinnern, die Dinge selbständig anzugehen.

Die Kunst von Kristoffer Myskjas führt genau diese kritische Arbeit aus: All seine Maschinen und ihre Einzelteile wurden gänzlich von ihm selbst angefertigt, um uns an den zeitlosen Wert von Techne zu erinnern. Die Essenz der Maschine, daran sollten wir denken, ist die, das Individuum von der anstrengenden Pflicht zu befreien, Dinge zu tun; bei Myskja jedoch wird die Maschine zum Gegenteil dessen.

Das präindustrielle Konzept der Techne wird wie ein Trojanisches Pferd sowohl in die physische Maschine, als auch in die Maschine als kulturelle Metapher für Fortschritt geschmuggelt. Myskjas Vorstellung von Aufgeklärtheit ist folglich nicht die, eine weitere Maschine hinzuzufügen, die unsere Arbeit erledigt, sondern vielmehr, pädagogische Maschinen zu erschaffen, die uns an den Wert erinnern, Dinge selbständig anzugehen.

Kjetil Røed Übersetzung: Daniela Esposito

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