Sandra Ackermanns Figuren fordern einen Dialog mit dem Betrachter und konfrontieren ihn mit einer, dem Bild zugrunde liegenden Geschichte. Dabei fungieren die Frauen, für deren Erschaffung Ackermann meist Livestyle- und Modemagazine zurate zieht, als Layer für eine tiefgründige Geschichte: Zum einen zeichnen die Figuren das in der westlichen Gesellschaft verankerte Idealbild von Menschen nach und stehen damit in einer langen Tradition klassischer Darstellungen, angefangen über die ägyptischen Skulpturen, über Fresken in der Antike bis hin zu Stilikonen und dem Ideal einer Frau der Moderne. Doch dieser Aspekt wirkt bei Sandra Ackermann immer nur vordergründig und eröffnet einen viel tieferen Diskurs: Verstörende, oder zumindest deplatziert anmutende Bildelemente beweisen, dass jede der Figuren eine Geschichte in sich trägt, die oft eines interpretatorischen Ansatzes bedarf, somit also der Rezeption des Betrachters überlassen bleibt.

Die Frauenfiguren erscheinen in ihrer meist bildmittigen Anordnung als Folien oder Projektionsflächen für vielschichtige gesellschaftliche Phänomene, aktuelle Problematiken politischer oder ökologischer Natur und als Initiator der Frage nach Diskrepanzen zwischen Ikon, Image, dem Existenten, und – in letzter Konsequenz – der Wahrheit. Durch die klare Formensprache der Ölmalereien visualisiert Ackermann mit ihrem Werk nicht nur geradezu programmatisch das semiotische Dreieck der sich gegenseitig bedingenden Topoi von Begriff, Symbol und Ding, sondern lädt darüber hinaus zum Dialog und zur Ablösung von der scheinbaren Realität ein, deren einziger Bezugspunkt wiederum das Motiv der abgebildeten Frau ist, deren stoischem Blick sich der Rezipient nicht entziehen kann. Andererseits finden Ackermanns Frauen sich in einer Umgebung innergesellschaftlichen Verfalls wieder, die zu kontrollieren ihnen unmöglich scheint. Daher bleibt es für sie bei dem Ansatz, sich in dieser nicht gottgegebenen, sondern gesellschaftlich vorgeformten Umgebung zurechtzufinden und, in Relation dazu, eine eigene Position zu beziehen. Folglich erscheinen sie dem Betrachter nicht als Ausgelieferte in einer Dystopie, sondern ganz im Gegenteil als emanzipierte Personen, die lediglich die Frage zulassen, ob wir es hier mit Realität oder Surrealität zu tun haben.

Diese gedankliche Brücke schlägt die Künstlerin durch die Wechselbeziehung der Figuren mit der Konstellation ihrer Umgebungen.

Sandra Ackermanns kontrolliert komponierte Bildelemente offenbaren somit trotz einer klaren und oft auch poetischen Bildsprache, in der die gezeigten Figuren immer auch eine hintergründige Wahrheit hüten, bei genauerem Hinsehen oftmals mindestens kritische Komponenten, wenn nicht teilweise sogar verstörende. Die ehemalige Slade School of Fine Art Stipendiatin bezeichnet ihre Bilder selbst als Spiegel, „schön wie die Werbung, aber emotional echter, […] nur dazu da, ein Gefühl, das ich von der Welt habe, in der ich lebe, zu bebildern.“ Auch diese Aussage belegt, dass Ackermanns Motivstilisierungen einer Überspitzung realer Kontexte dienen, die durch pointierte Verwendung auch immer einen Blick in vielschichtige Diskurse und somit in die Diversität des Innenlebens der Figuren erlauben.

Béla B. Jász-Freit, Düsseldorf

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