Der Garten. Per Definition ist er Natur, die der Mensch gezähmt und sich zunutze gemacht hat und er liegt damit genau auf halbem Weg zwischen Natur und Kultur. Seit Jahrtausenden an unserer Seite legt er Zeugnis über unsere gesamte kulturelle Entwicklung ab, von den ersten urzeitlichen Gehversuchen in Sachen Ackerbau über die Lustgärten absolutistischer Herrscher bis hin zur Kleingartenkolonie im Berliner Umland. Er hat sich emanzipiert von seiner reinen Nutz-Funktion und wurde Sinnbild für Ästhetik, Schönheit und Erholung. Die Hängenden Gärten der Semiramis im Zweistromland wären sicher keines der sieben Weltwunder der Antike gewesen, hätte man dort ausschließlich Gemüse angepflanzt. Nein, ein Garten war schon früh mehr als die Summe seiner Nutzpflanzen. Ein Allerheiligstes zum einsamen Nachdenken, ein Zufluchtsort, Inbegriff der Entspannung, Ort für botanische Studien oder ausgelassenes Herumtoben, Treffpunkt für verliebte Heimlichkeiten und lärmende Familienpicknicks – kurz: das Paradies, im wahrsten Sinne des Wortes. Das können Adam und Eva bezeugen. Wäre Eden ein Kartoffelacker gewesen, hätten sie wohl schon eher zum Apfel gegriffen.
Da der Garten so eng mit unserer Geschichte verknüpft ist, lässt sich an seiner Darstellung in der Kunst auch ganz hervorragend die Entwicklung der Malerei ablesen. Eine Ausstellung der Royal Academy, die gerade im Cleveland Museum of Art zu sehen ist, befasst sich genau mit dieser Thematik, grenzt den Rahmen allerdings auf die Moderne ein. Dabei ist die Liebesbeziehung zwischen der Malerei und dem Garten viel älter:
Die alten Ägypter, Perser, Griechen, Römer – alle liebten sie ihre Gärten, ob zu Hause oder zur Verzierung ihrer Gräber. Bereits damals wurden sie zum Sujet in der Kunst. Man denke an die Zeichnung des Gartens in der Grabkapelle des Nebamun oder die Wandverzierungen der Villa di Livia[1] , die im Museo Nazionale Romano zu sehen sind.
Der Garten Eden aus dem Buch Genesis stand im Mittelpunkt der mittelalterlichen Kunst, wie sich fast alle Kunst dieser Epoche um biblische Themen drehte. Meist als Buchillustrationen angefertigt und in der Regel von kirchlichen Auftraggebern bestellt, waren fast alle Kunstwerke dieser Epoche religiös geprägt.
In der Renaissance entdeckte man klassische Formen wieder, sowohl in der Malerei als auch in den Gärten. Symmetrie und Reinheit wurden hochgeschätzt; Fürsten, Grafen und Prinzen entdeckten den Garten als repräsentative Größe ihrer Macht.
Als man im Barock dann Geschmack an Prunk und überbordender Pracht fand, fiel das mit der Hochzeit des höfischen Gartenbaus zusammen. Im Geist der Epoche entstand das Bedürfnis, sich aufs Höchste über die Natur zu erheben. Gärten wie jenes Paradebeispiel von Versailles sind bestaunenswerte Kunstwerke an sich. Es wurden dafür etliche Landmassen bewegt und Flüsse verlegt, Seen erschaffen und exotische Pflanzen importiert. Zur gleichen Zeit gewannen Gartenansichten deutlich an Bedeutung, bis hin zu einem eigenständigen Genre der Malerei.
Die Faszination der gebändigten Natur ging auch in der Moderne weiter. Und weiterhin kann man an den Gemälden der Gärten ablesen, was sich in der Welt tat. Im 19. Jahrhundert stellten Künstler die alltäglichen Erscheinungsformen der Natur in den Vordergrund, wie beispielsweise den bürgerlichen Garten, meist in einer ganz spezifischen Lichtstimmung. Besonders der Impressionismus erhob den Garten zum neuen Paradies – als Antipode zur Industrialisierung und als Sinnbild für alles Pittoreske.
Monet. Natürlich. Er muss zu allererst genannt werden. Kein anderer Garten gelangte in der Malerei zu solcher Berühmtheit wie sein heimeliges Fleckchen Erde in Giverny. Ohne seine Seerosen könnte man kaum eine Ausstellung über den Garten in der Moderne kuratieren. Er wird darum ganz bewusst als Startpunkt gewählt: Von Monet bis Matisse – so heißt es im Titel. Malte Monet im Freien, benutzte er meinst einen abgeflachten Pinsel, jene Form, die dank der Erfindung der Metallzwinge seit Kurzem erhältlich war. Damit konnte er rasch arbeiten, allerdings trat dabei die Detailtreue zugunsten der Atmosphäre in den Hintergrund.
Sehr viel Zeit verwandte Monet hingegen auf sein vielleicht beeindruckendstes Werk, das endlich wieder in seiner Ganzheit bewundert werden kann: Das Triptychon der Seerosen ist nach der Ausstellung 2012 endlich wieder einmal vereint. Mindestens zehn Jahre lang arbeitete der Meister an dieser Urgewalt – bis zu seinem Tod. Ob er es für abgeschlossen hielt, wird man nie erfahren. Wasser ist als Szenerie wie gemacht für Monet. Auf seiner Oberfläche gerät die Welt in Bewegung, sieht man Spiegelung und Tiefe gleichzeitig, entsteht ein hypnotisierendes Farbenspiel. Dazu der Garten als Symbol für das Unbeschwerte. Die luftig-leichte, verträumte Atmosphäre der Impressionisten, wo jeder Pinselstrich ein Lichtmoment ist, erhebt den Garten, den Teich, die Idylle zur Maxime.
Die Ausstellung zeigt aber auch, wie das Thema der Natur um Laufe der Zeit und der Kunstbewegungen – wie alles andere auch – in zunehmend abstrahierender Weise behandelt wird. Bis sich die Gegenständlichkeit in Farbe und Form auflöst. Die Farbexplosionen bei Emil Nolde glühen einem entgegen, ganz im Gegenteil zum gemäßigten Impressionismus eines Max Liebermanns. Pierre Bonnard hingegen liebte seinen Garten wild und wuchernd, was sich auch in seinen Bildern widerspiegelt.[2] Und van Gogh? Der machte mit dem Sujet, was ein van Gogh eben tun muss. Das Ergebnis: Seine Gartenansichten, besonders aber seine Sonnenblumen, erlangten Weltruhm.
Der Garten ist nicht nur ein universelles Sujet, das uns seit Menschengedenken begleitet, an dem sich jede Bewegung im Geiste und jeder veränderte Zeitgeist ablesen lässt, ein Sinnbild für so viele verschiedene Facetten des Lebens. Auch der Künstler selbst ist immer auch eine Art Gärtner. Er sät Ideen statt Samen und zieht Farben auf seiner Leinwand heran. Er muss genau wissen, wie er die Balance halten kann, denn mal muss er eingreifen, umgestalten, beschneiden, zurücknehmen, aber manchmal eben auch der Kunst ihren freien Lauf lassen. Und am Ende steht im besten Fall alles in blühend-schöner Pracht. Um es mit Voltaire zu sagen: ‚Il faut cultiver notre jardin.‘
[1] Villa di Livia, Beni Culturali
[2] Artist Gardeners
Autor: Lisa Steffens