Ganz wenige Architekten oder Ingenieure hatten die Ehre bei städtischen Projekten in Kaiserzeiten mitwirken zu dürfen. Einer davon war Gustav Halmhuber (1862-1936), der an fünf solcher Bauten mitarbeiten durfte. Zwei seiner Entwürfe wurden rein übernommen und somit gewann er in der Zeit als Architekt, später als Akademiker, einen guten Ruf. Mit Sicherheit war er an vielen anderen Entwürfen beteiligt, aber allerdings beeindrucken fünf Konstruktionen das Herz der Architekturliebhaber; das Reichstagsgebäude (Berlin), der Wasserturm am Friedrichsplatz (Mannheim), das Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal (Berlin), die Siegesallee (Berlin) und das Neue Rathaus (Hannover). Der Künstler entwarf den Wasserturm am Friedrichsplatz in Mannheim und das Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal (leider in DDR Zeiten abmontiert und vernichtet) vollständig und beide Werke wurden laut seiner Planung errichtet.
Im jungen Alter, 18 Jahre, begann Halmhuber mit seinem Studium an der Technischen Hochschule Stuttgart. Vier Jahre danach wirkte er bei dem Innenausbau im Reichstag mit, und zwar unter der Leitung von Paul Wallot. Während seiner Lebensleistung arbeitete er nicht nur als Planer, sondern auch als Akademiker und Dozent an seiner Alma Mater und an den Kölner Werkschulen (Hochschule für bildende Kunst und Architektur). Jedoch die längste Zeit seiner Dozententätigkeit verbrachte er an der Technischen Universität Hannover, von 1909 bis 1928, als Professor, bis er in den Ruhestand ging. In diesen letzten Jahren wirkte er auch bei der Gestaltung (Innenausrichtung) des Neuen Rathaus in Hannover mit, das 1913 eingeweiht wurde.
Im Jahre 1885 plante der Mannheimer Stadtrat ein Hochreservoir für die Wasserversorgung, denn in dieser Zeit wurde die Stadt nur mit Wasserbrunnen aus der Umgebung versorgt, wobei die Wasserqualität krank machend war. Die ursprüngliche Idee von Johann Andreas von Traitteur, die Stadt mit besserer Wasserqualität zu versorgen, lag schon fast hundert Jahre zurück. Von Traitteurs Wasserleitung sollte von Ruhrbach (bei Kassel) über Eppelheim, Friedrichsfeld, Seckenheim bis zum Heidelberger Tor in Mannheim – wo der Wasserturm sich heute befindet – verlegt werden. Da der Trinkwassertraum mit extrem langen Distanzen und Kosten verbunden worden war, wurden die mit topografischen Plänen dokumentierten Studien infrage gestellt. Das neue Vorhaben sollte nicht nur der modernen Technik entsprechen, sondern sollte auch ein Wahrzeichen der Stadt werden, weil es an einem besonderen Brunnen platziert war. Der für die technischen Anforderungen verantwortliche Bauingenieur war der Österreicher Oskar Smreker, der hydrologische Untersuchungen machte, aus denen er die Erkenntnis gewonnen hatte, im Käfertaler Wald sei die Wasserquelle für Mannheim. Von dort aus sollte eine Leitung und ein Netz gebaut werden mit einem Hochpunkt (nämlich der geplante Wasserturm). Sein gezielter Auftrag bestand darin, die Stadt durch einen 2000 m³ Speicher mit Trinkwasser zu beliefern.
Im Oktober 1885 wurde die Ausschreibung, wie es damals üblich war, in der „Deutschen Bauzeitung“ veröffentlicht und sie war mit 1000 Mark für den Gewinner dotiert. Der junge Architekt griff auf die damalige Popularität Kaiser-Wilhelm-I zurück und entwarf einen 68 Meter Höhen Turm mit einmaligen Details, die gerade uns an römische Bauten erinnern. Letztendlich gewann er den Wettbewerb während er noch am Reichstag tätig war und die hochrangigen Experten des Stadtrats forderten die weiteren Detailplanungen an. Man muss jedenfalls erkennen, dass Halmhubers architektonische Komposition sehr gut gelungen war, deren bauliche Details akribisch eingearbeitet wurden und das Gesamte perfekt in vier Zonen eingegliedert hat. Die erste Zone ist der Sockel mit zwei breiten Treppenaufgängen und einer Terrasse aus Sandstein mit Blick auf den Friedrichsplatz. Der Turmschaft folgt darauf unmittelbar. In diesem Fall wurde er zylindrisch entworfen und gegliedert durch hohen Pfeiler, die mit Segmentbögen verbunden sind. Über den Segmentbögen setzt die dritte Zone an, die durch einen girlandenförmigen Fries mit Putten dekoriert ist und hinter deren Wände sich der Hochbehälter befindet. Die vierte Zone bildet das Kegeldach – mit zehn Lichtöffnungen und aus Kupfer gebaut, leider im Krieg während der Bombardierung, 1943, zerstört – und darauf die Amphitrite. Merkwürdig fiel mir auf, dass auf historischen Dokumenten zwei Details des jungen Architekten, Gustav Halmhuber, nicht zugelassen wurden; die Figur auf dem Dach und die Details am Treppenaufgang.
Als Bekrönungsfigur plante Halmhuber Hebe, die Göttin der Jugend in der griechischen Mythologie. Der Mannheimer Bildhauer Johannes Hoffart wurde für die Gestaltung der Brunnenanlagen und weiterer Kunstkonzepte gewonnen. Er tauschte Hebe gegen Amphitrite, die Meeresgöttin und Gattin Poseidons, Gott des Meeres. Auf dem Pavillon wurde auch Triton, der Sohn von Amphitrite und Poseidon, abgebildet. In den Brunnenanlagen, die vor und hinter dem Turm aufgebaut sind, befindet er sich auch als Bronzefigur. Hoffart hatte damit grundsätzlich ein neues Konzept in den Wasserturm hineingebracht; griechische Götter und Wasser. Am Treppenaufgang hatte Gustav Halmhuber zwei Kugeln, links und rechts, ursprünglich als Dekorationselemente vorgesehen. Der Mannheimer Stadtrat war mit dem Detail uneinig und beauftragte Ernst Westphal mit der Gestaltung zweier Sphinxe aus Sandstein, wobei die Wächterfiguren den Zauber des ursprünglichen Änderungsgedankens Hoffarts, lösten. Sie gehören weder den europäischen noch den deutschen Kunstgattungen an und stimmen mit der Stilrichtung des Turms und der Brunnenanlagen überhaupt nicht überein.
Gustav Halmshubers Meisterwerk blieb im Krieg nicht so ganz ohne Schäden. Bei den Bombenangriffen wurden das Kugeldach und einige Elemente auf dem Sockel getroffen. Stattdessen wiesen die hydraulischen Einrichtungen vom Ingenieur Oskar Smreker so gut wie keine Mängel auf. In den 1950er Jahren entschied sich die Stadt für den Wiederaufbau. Im Gegensatz zum Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal blieb der Originalentwurf vom Künstler in Stein und Mörtel erhalten, ist das Herz des Platzes in Mannheim und eines der schönsten Jugendstilensemble in Europa.