Der Bäcker, der vor langer Zeit das Toskanische Brot erfunden hat, war definitiv nicht verliebt. Im Gegenteil. Typisch toskanisches Brot enthält kein Salz. Das «pane sciocco», das in grossen Laiben mit fester, dicker Kruste und eher dichtem, kompaktem Inneren daherkommt, ist so charakteristisch für die Toskana wie Chianti Wein oder Olivenöl.
Das aus nichts weiterem als Mehl und Wasser zubereitete Brot blickt auf eine lange Geschichte zurück. Schon Dante erwähnte in seiner Divina Commedia die Angewöhung an gesalzenes Brot als Zeichen seines schmerzhaften Exils ausserhalb von Florenz. Im Vers XVII des Buchteils «Paradiso», wird das Exil mit folgenden Worten prophezeit: «Tu proverai sì come sa di sale lo pane altrui, e come è duro calle lo scendere e ‘l salir per l’altrui scale». (Du wirst sehen wie sehr nach Salz das fremde Brot schmeckt, und wie hart die Strasse ist, wie hart das hoch-und runtergehen der fremden Treppen). Das fremde, gesalzene Brot, dem florentinischen ungesalzenen «pane sciocco» gegenübergestellt, wird Synonym und Metapher des Exils und dem Fernsein von der Heimat.
Erklärungen weshalb das toskanische Brot kein Salz enthält gibt es verschiedene. Die glaubwürdigstee Version besagt, dass diese Sitte auf die Rivalitäten zwischen Pisa und Florenz um 1100 zurückgehe. Die Pisaner hatten die Kontrolle über Salz und andere Waren, die im Hafen von Pisa angeliefert wurden. Um Florenz unter Druck zu setzen, reduzierten sie die Salzlieferungen, was die Salzpreise enorm ansteigen liess, zeitweise wurden die Lieferungen sogar blockiert. Das wenige, teure Salz, das sporadisch verfügbar war, wurde lieber zur Konservierung wertvollerer Lebensmittel wie Fleisch verwendet, als für das alltäglich in grossen Mengen konsumierte Brot. Aus der Not eine Tugend machend begannen die Florentiner, ihr Brot ohne Salz zu backen.
Zur Knappheit des Salzes kam während der Mezzadria Zeit auch der Fakt, dass Brot nur einmal pro Woche gebacken werden konnte. Salz macht Brot gummig und lässt es schneller trocken werden. Dies war, nebst des hohen Salzpreises, ein weiterer Grund, salzloses Brot zu backen, nicht nur in der Toskana, sondern auch in den Nachbarsregionen Lazio und Umbrien. Eine Sitte, die sich bis heute gehalten hat.
Wenn man beobachtet, zu welchen Gelegenheiten in der Toskana Brot gegessen wird, wird einem schnell bewusst, dass es salzlos am besten schmeckt. Es ist unverzichtbarer Begleiter aller Speisen, die meist gut gewürzt sind, und von zahlreichen ebenfalls würzigen Wurst – und Käseprodukten. In diesem Kontext erkennt man schnell die geschmacklichen Vorzüge des faden Brots. Diese letztere Erkenntnis ist ein weiterer, eher neuer Erklärungsversuch für die Abwesenheit von Salz im toskanischen Brot. Die robusten, aromareichen typischen Gerichte der regionalen Gastronomie sind für sich schon salzig und würzig genug, das ungesalzene Brot balanciert die Aromen aus.
Bleibt Brot nach einer Mahlzeit übrig, wird das nicht weggeworfen. «Pane posato», wie altbackenes Brot im toskanischen Dialekt genannt wird, wirft man nie weg. Die Wiederverwendung altbackenen Brotes hat in der Toskana, einer landwirtschaftlichen, früher armen Region, eine wichtige Rolle und es gibt verschiedenste Rezepte. Meist in Form von Suppen wird das alte, harte Brot weiterverwendet: «Pappa al Pomodoro», eine dicke Brot-Tomatensuppe, oder «Minestra di Pane», deren Reste wiederaufgewärmt die «Ribollita» geben, zeigen, wie schmackhaft solches‚ Arme-Leute-Essen’ sein kann.
Letztere kam auch in Pellegrino Artusis bekanntem La Scienza in cucina e l’Arte di mangiar bene vor und sieht den Einsatz von altbackenem Brot, weissen Bohnen, Grünkohl und Federkohl, Krautstiel, einer Kartoffel, guten Olivenöls und wenig Pfeffer vor. Heute werden oft noch weitere Gemüse beigemischt. Ein sättigendes, authentisches und unglaublich leckeres Gericht! Für sommerliche Gerichte aus trockenem Brot wird oft eine «Panzanella», ein frischer Salat von aufgeweichtem Brot, Tomaten, Basilikum, roten Zwiebeln und Gurken zubereitet. Wie meine Großtante zu sagen pflegte: „Hartes Brot ist nicht hart. Kein Brot ist hart.“