Fließende Wassermassen scheinen sich über das Papier zu ergießen. Stürmische Wellen formen Höhlen und schaffen perspektivische Tiefe. Die Wellenberge wecken Erinnerungen an den zerstörerischen Tsunami im südasiatischen Raum vor zwanzig Jahren. Ein Ereignis, das bis heute Erinnerungen unter Betroffenen hervorruft: Bilder, die sich tief ins Gedächtnis eingebrannt haben. Geräusche, die unvergessen sind. In der Ausstellung All day I hear the noise of waters reflektiert Eva Schlegel die eigene unmittelbare Erfahrung dieser Naturkatastrophe anhand einer Serie von Lithografien. Erstmals werden diese Arbeiten im Showroom der Galerie Krinzinger gezeigt.

Die ausgestellte Werkserie basiert auf Eva Schlegels innovativer Auseinandersetzung mit der Technik der Lithografie. Seit zwei Jahren arbeitet die Künstlerin mit diesem traditionsreichen Verfahren; erste Versuche mit dieser Flachdrucktechnik führten zu weiteren Experimenten. Ermutigt wurde Schlegel von dem erfahrenen Tiroler Lithografen Kurt Raich.

Inspirierend für Schlegel war das Schleifen des Lithosteines, bei dem die Vorlage gelöscht wird, alle Informationen zum Verschwinden gebracht werden. Beim Beobachten dieses Vorgangs entstand der Wunsch, diese fließenden Formen zu gestalten, zu fixieren und auf Papier zu bannen. Inspiriert von diesen Schleifspuren entwickelte sie Motive, die an wasserartige Kaskaden und sturmartige Strudeln erinnern.

Der körperlich intensive Akt des Malens auf Stein mit Stein wurde für Eva Schlegel zu einer Performance, bei der sie an die Grenzen der druckgrafischen Technik und zugleich ihrer körperlichen Möglichkeiten stieß. Der Versuch, eine großformatige Wellenform über vier Steine auszudehnen, war durch die Reichweite ihrer Arme beschränkt. Zudem war für das Formen der dynamischen Wellenmuster ein Schwung notwendig, der mit dem unhandlichen Steinmalgerät nicht möglich war. In Kooperation mit Kurt Raich wurde ein leichteres Werkzeug aus Stahl konstruiert, mit dem größere Gesten umgesetzt werden konnten.

Anfangs entstanden am Stein unbewusst gesteuert kontrollierte Bildkompositionen, so die Künstlerin. Bei späteren Arbeiten versuchte Schlegel Anleihen an medial überlieferten Bildern des Geschehens zu nehmen, etwa Meeresdarstellungen, wodurch bewusst komponierte Bilder entstanden sind. Begleitet werden die Bilder im räumlichen Display von unscharfen Texten. Der Titel der Ausstellung nimmt Anleihe an einem Gedicht von James Joyce, weitere Gedichte thematisieren das Meer, innere Abgründe und schmerzhafte Zustände. Die in den Bildern dargestellten Formen des Meeres werden textlich begleitet, aber nicht sprachlich kommentiert.

Im Kabinett treten die Lithografien in einen Dialog mit einer raumgreifenden Skulptur Schlegels. Sie verweist auf die jahrzehntelange Auseinandersetzung der Künstlerin mit Räumlichkeit und spannt zugleich einen Bogen zu den neu gezeigten Arbeiten. Die spiegelnde Oberfläche reflektiert und verstärkt die räumliche Tiefe der in den lithografischen Werken gezeigten Wassermassen und zieht die Betrachtenden im übertragenen Sinn in den Sog des Tsunamis.