Hauser & Wirth St. Moritz eröffnet am 14. Dezember die erste Einzelausstellung mit Bildern von JeanMichel Basquiat, die während der Aufenthalte des Künstlers in der Schweiz entstanden oder von diesen Besuchen inspiriert sind. In ihren Motiven verschmelzen die Natur und die Kultur des Engadins mit der Metropole New York. Jean-Michel Basquiat. Engadin spürt dem nach, was den berühmten Künstler mit diesem Land verband: einer Beziehung, die mit seiner ersten Ausstellung in der Galerie Bruno Bischofberger 1982 in Zürich begann, und auf die ein Dutzend weitere Reisen nach St. Moritz, Zürich, ins Appenzell und in andere Regionen der Schweiz folgten. Vor allem das Engadin faszinierte Basquiat noch lange nach seiner Rückkehr nach New York und regte ihn zu einer Reihe von Werken an, in denen er seine Eindrücke von der alpinen Kultur und Landschaft der Schweiz in seine unverwechselbare, sehr persönliche Bildsprache kleidete.

Zur Werkschau Jean-Michel Basquiat. Engadin veröffentlicht Hauser & Wirth Publishers einen Katalog mit einem Vorwort von Bruno Bischofberger und einem Text von Dr. Dr. Dieter Buchhart, um den Besucherinnen und Besuchern einen einzigartigen Einblick in diese spezielle Schaffensperiode eines des wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts zu geben. Unterstützt wird die Ausstellung von Dr. Dr. Dieter Buchhart und Dr. Anna Karina Hofbauer, einem international anerkannten Kuratorenteam und ausgewiesenen Basquiat-Experten.

1960 in Brooklyn, New York, geboren und in der Post-Punk-Kunstszene der späten 1970er- und 1980er-Jahre in Downtown Manhattan aufgewachsen, fand Basquiat in der Diversität und Intensität der Metropole New York die Inspiration für sein multidisziplinäres Schaffen. In seinen expressiven Gemälden kombinierte er kühne Texte und Bilder, die er seinem umfangreichen Fundus von Referenzen aus den Bereichen Kunst, Film, Geschichte und Musik, aber auch den Erfahrungen, die er als junger Schwarzer mit dem alltäglichen Rassismus in den USA machte, entnahm.

Nach seiner ersten Ausstellung in der Galerie Bruno Bischofberger 1982 wurde Basquiat im gleichen Jahr zur Documenta in Kassel eingeladen – als einer der jüngsten Künstler, die je an dieser Kunstausstellung vertreten waren. Zu dieser Zeit nahmen in seinem Werk auch die Einflüsse der so verschiedenen Kulturen von New York City und der Schweiz Gestalt an, indem Motive wie Skilifte, Tannenbäume, Berge und deutsche Sätze Eingang in das umfangreiche visuelle Lexikon des Künstlers fanden. «Von da an besuchte mich Jean-Michel Basquiat oft in der Schweiz, wo es ihm besonders gut gefiel. Rund sechsmal kam er nach Zürich und genau siebenmal nach St. Moritz, viermal davon im Sommer», sagt Bischofberger. Basquiat war tief berührt von der überwältigenden Naturlandschaft und Kulturgeschichte des Engadins und von der Gastfreundschaft der Familie Bischofberger. Vielleicht, so vermutet Dr. Dr. Dieter Buchhart, war es der «Gegensatz zwischen dem pulsierenden Leben, den Clubs, dem Strassenlärm, der halsbrecherischen Geschwindigkeit der Metropole New York und der ‹Entdeckung der Langsamkeit› in der ergreifenden Landschaft des Engadins», der Basquiat an diesem Teil der Schweiz so besonders anzog.

Zu den frühesten Bildern der Ausstellung gehört das monumentale Gemälde The dutch settlers aus dem Jahr 1982. Das aus neun Einzelbildern zusammengesetzte Werk ist ein ausgezeichnetes Beispiel für das innovative Konzept Basquiats, die von William S. Burroughs angewendete Cut-up-technik mit der aus dem Hip-Hop bekannten Technik des Sampling zu kombinieren. Die neun Leinwände, die Basquiat hier zusammenfügte, erlaubten es ihm, unterschiedliche Bildfelder immer wieder neu zu kombinieren und zu montieren, um so ein vielschichtiges Werk mit einem visuellen Rhythmus zu erschaffen, den der Kunsthistoriker Robert Storr als Eye rap beschrieb. Der Künstler setzt hier starke Motive, die auf die afrikanische Diaspora und die Sklaverei verweisen (und in Wörtern wie nubia und tobacco aufscheinen), neben Bilder des Engadins, darunter Tannenbäume, eine Bergstrasse und den in dieser Region heimischen Steinbock, das Wappentier des Kantons Graubünden. Diese Ikonographie der Gebirgswelt findet sich auch in den verspielten Bildern Skifahrer und See, die ebenfalls Teil der Ausstellung sind. Der Skifahrer ist eine Art Comic-Figur vor einem leuchtend roten Hintergrund, der See liegt in einer nächtlichen Landschaft. Beide Bilder entstanden ein Jahr nach The dutch settlers in St. Moritz. Sie gehören zu einer Serie von Arbeiten, die Basquiat für ein Abendessen mit Sammlern in Bischofbergers Jagdhütte – so nannte der Künstler den Familiensitzes seines Galeristen in St. Moritz – schuf. Ausser einer Reihe von Fotografien von Albert Steiner, hing in diesem Jahr keine modere Kunst im Esszimmer.

Im Winter 1983/1984, während eines seiner Besuche im Engadin, besprach Bischofberger mit Basquiat die Idee einer Zusammenarbeit zwischen ihm, Andy Warhol und Francesco Clemente. Jeder der drei Künstler sollte vier Gemälde und eine Zeichnung anfertigen, die dann jeweils an die anderen beiden weitergereicht und von ihnen vervollständigt werden sollten. In bianco (1983) zeigt die deutlich erkennbaren Beiträge aller drei Künstler ebenso wie deren respektvollen Umgang mit den Parametern der jeweils anderen beiden. Wie Buchhart bemerkt, wurde «der Grundstein dieser wichtigen Kollaboration in St. Moritz gelegt». Die Zusammenarbeit markiert einen Wendepunkt im künstlerischen Schaffen Basquiats und belegt, dass die Schweiz in mehr als einer Hinsicht eine grosse historische Bedeutung für den Künstler hatte.

In Big snow (1984) integriert Basquiat die ihn unmittelbar umgebende Welt und sein umfangreiches enzyklopädisches Wissen, um ein weiteres Mal seine Eindrücke vom Engadin mit Themen wie dem Rassismus und der Geschichte der Schwarzen zu verbinden, indem er Motive der Schweizer Alpen, Schnee und Skifahren mit der Olympiade 1936 in Berlin kombiniert, wo Jesse Owens vier Goldmedaillen gewann. 1985 nahm Basquiat dann mit seinem 1983 entstandenen Werk See an der Gruppenausstellung «Das Oberengadin in der Malerei» im Segantini Museum in St. Moritz teil. Zu den spätesten hier ausgestellten Werken gehört eine Gruppe monochromer Gemälde mit dem Titel To repel ghosts, die Basquiat 1986 während eines Aufenthaltes in Zürich und St. Moritz schuf und in denen er sich mit den Begriffen Leere und Spiritualität in Bezug auf die afrikanische Diaspora auseinandersetzte. Auf die Frage, was den Künstler immer wieder in die Schweiz zog, vermutet Buchhart, dass «das Engadin für Basquiat sowohl Arbeit als auch Inspiration, Freundschaft, Ruhe und Entspannung bedeutete».