Tagtäglich folgen wir zahllosen algorithmischen Impulsen: durch schnelles Scrollen in Feeds, durch sanftes Zoomen von Bildern oder durch das nervöse Tippen von Nachrichten. Über die Bildschirmoberfläche treten wir mit Algorithmen in Beziehung. Wo beginnt der Körper und wo endet er, wenn er auf die physikalisch undurchdringbaren Flächen unserer Smartphones trifft – deren komplexes Innenleben längst durch unsere teils intimsten Spuren zu einem Teil von uns selbst geworden ist?
Für die Künstlerin Linda Semadeni stellen neue Technologien wie Smartphones eine Struktur der Bewegung und des Ausdrucks von inneren wie äusseren Gefühlszuständen dar. Sie sind ein Ort, der über seine vom Menschen definierten Funktionalitäten hinausgeht und mit dem wir uns Tag für Tag in einer stetigen, wechselseitigen Performance befinden. Semadeni setzt sich durch das Spiel mit Bewegungen damit auseinander, wie der Körper in ihm involviert wird.
In ihrer interaktiven Skulptur Screen recordings (2024), die vom 9. November 2024 bis zum 13. April 2025 als Intervention im Löwenbräukunst präsentiert wird, stellt Linda Semadeni die uns bekannten Grössen- und Wahrnehmungsverhältnisse auf den Kopf: Überdimensional begegnet der Bildschirm den Betrachtenden und konfrontiert sie mit der Frage, welche Beziehung sie zu den Technologien des Alltags haben. Diese Umkehrung spürt der allgegenwärtigen Realität nach, die uns umgibt und beeinflusst: der Symbiose zwischen Körper und Technologie, der verschwimmenden Grenze zwischen digitalem und analogem Raum sowie den damit verbundenen, neuen Ausdrucksformen und Bewegungsabläufen des Körpers, die sich durch und mit diesen Technologien wandeln.
Eine assoziative Kombination aus bewegten Symbolen auf einer animierten Projektionsfläche; ein warmes, den Raum einhüllendes Pink an der Glasfassade; eine fragmentierte Klangcollage aus der digitalen Sphäre – und mittendrin die Menschen, die sich in diesem Gebäude bewegen: hektisch auf dem Weg zum nächsten Meeting in einem der versteckten Büroräume oder inspiriert von Ausstellung zu Ausstellung wandelnd. Plötzlich werden sie aus ihrer eingeschriebenen und erlernten Routine herausgerissen, weil sich etwas in ihrer Umgebung grundlegend verändert hat.
Die minimalistische Choreografie Semadenis, welche im Laufe der Ausstellungsdauer erweitert wird, hinterfragt die neuartige performative Körper-Raum-Beziehung zwischen Mensch und Bildschirm: Betrachtende werden beim Durchschreiten in eine konzentrierte Immersion versetzt. Dabei befinden sie sich inmitten einer beiläufigen, täglich unbewusst wahrnehmbaren und doch allgegenwärtig spürbaren Sprachkulisse bestehend aus ready-made Bild-, Wort- und Klangkonstellationen. Vordergründig stammen diese aus Smartphones und Apps, wurden jedoch durch Linda Semadenis künstlerische Neuaneignung in ein vielschichtiges Zeichensystem von der Mikroebene unserer persönlichen Geräte in eine raumgreifende Erfahrung überführt.
Semadeni reflektiert dabei auch die Tatsache, dass dieser Ort als solcher bereits ein Ort der Bewegung ist: «Ich komme herein, ich gehe hinaus, ich bin auf dem Weg – es ist ein Durchgangsort. An diesem Un-Ort erzeugt die Installation nun plötzlich ein Körpergefühl». Sie will bei den Besuchenden ein Gefühl der Involviertheit schaffen, das sie auf spielerische Weise dazu anregt, die komplexen Verschränkungen von Körper, Raum und Technologie im Hier und Jetzt bewusst zu erleben und wahrzunehmen.
(Kuratiert von Tasnim Baghdadi)