Johannes Robert Schürch (1895 – 1941) gilt als Hauptvertreter der frühen Moderne in der Schweizer Kunst. Umso erstaunlicher ist es, dass das Werk des in Aarau geborenen Künstlers heute kaum einem breiteren Publikum bekannt ist. Fast 50 Jahre nach der Retrospektive im Aargauer Kunsthaus rückt die Ausstellung Alles sehen das berührende und eindringliche Werk des herausragenden Zeichners erneut in den Fokus. Der weitgehend autodidaktische Künstler hinterliess bei seinem Tod im Alter von nur 46 Jahren ein umfangreiches und stilistisch vielfältiges Œuvre, das über 7000 Arbeiten umfasst.

Die Einzelausstellung im Aargauer Kunsthaus widmet sich dem zeichnerischen Schaffen der 1920er- und frühen 1930er-Jahre und gibt damit Einblick in die produktivste Phase des Künstlers, in der zahlreiche Feder- und Tuschpinselzeichnungen sowie Aquarelle entstanden. In ihrer unmittelbaren Expressivität zählen sie zu seinen künstlerischen Höhepunkten. Schürch schuf diese Blätter, als er mit seiner Mutter während zehn Jahren in ärmlichen Verhältnissen zurückgezogen in einem abgelegenen Waldhaus in Monti bei Locarno lebte.

Anhand thematischer Schwerpunkte lädt die Ausstellung zu einem assoziativen Streifzug durch den künstlerischen Kosmos Schürchs ein. Miteinander verwobene Motivkreise greifen universelle Begriffe des menschlichen Daseins auf: Tod, Trauer, Leid und Unterdrückung ebenso wie die Sehnsucht nach Zugehörigkeit, Nähe und Liebe. Schürchs Blick auf die Verletzlichkeit des Menschen spiegelt sich in unserer von Unsicherheit und Krisen geprägten Gegenwart.

Ergänzt wird die Ausstellung durch lyrische Beiträge der Schriftstellerin Simone Lappert (g.1985). Ihre Gedichte zu ausgewählten Werken unterstreichen die zeitlose Gültigkeit von Schürchs Zeichnungen. Die Gedichte sind als Audiospur über QR-Codes abrufbar und auch in der Begleitpublikation Johannes Robert Schürch. Alles sehen (2024) nachzulesen.