Die Ausstellung ist eine Kooperation zwischen dem Weltmuseum Wien und dem privaten Museu de Arte Indígena (MAI) in Curitiba, Brasilien. Die Kuratorinnen Claudia Augustat und Julianna Podolan (MAI) setzen die Sammlungen der beiden Museen in einen Dialog, der zeigt, wie sich aus Gebrauchs- und Ritualgegenständen autonome Kunstwerke entwickelt haben. Inhaltlich kreist die Ausstellung um die Indigene Kunst Brasiliens und deren veränderte Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Lange Zeit wurde Schöpfer * innen dieser Kunst jegliche Individualität abgesprochen. Sie galten als bloße Repräsentant * innen ihre Gemeinschaften und Traditionen. Ihre Namen waren nicht von Interesse und galten nicht als dokumentationswürdig, sodass in den Sammlungen des WMW die wenigsten Künstler * innen namentlich genannt sind – anders im MAI, das beinahe alle Künstler*innen mit Namen nennen kann und auch Beziehungen zu ihnen unterhält.

Ausgangspunkt der Ausstellung ist die im Westen oft bewunderte Federkunst. Beispiele der Ka‘apor, Yanomami und Tapirapé zeugen von der hohen Kunstfertigkeit ihrer uns unbekannten Schöpfer. Gleiches gilt für die Gegenstände der Rikbaktsa, die der Federkünstler Messias Rikbaktsa aus der Sammlung des Weltmuseum Wiens ausgewählt hat.

Die über den Besucher * innen schwebenden Hängematten von Tania Kamayura machen deutlich, wie sich Umwelteindrücke in der Gestaltung kunstvoller Gebrauchsgegenstände niederschlagen. Das gilt auch für die an Tierformen erinnernden Holzbänke: Sie werden in den Bäumen von den Künstlern gesehen und dann, nach dem Fällen des Baumes, aus einem Stück herausgearbeitet. Die gezeigten Keramiken und Objekte für die Maniokverarbeitung illustrieren wiederum eine eindrucksvolle Entwicklung von Haushaltsgegenständen zu Skulpturen.

Die Indigene Kunst Amazoniens ist aber auch eine performative: Maskentänze gehören zu vielen Ritualen und ermöglichen die Interaktion mit spirituellen Wesen. In der zeitgenössischen Kunst sind Masken zu Kunstwerken geworden, die keinerlei praktische Funktion mehr erfüllen. Dadurch wird eine klare Grenze zwischen Ritual und Kunst gezogen.

Körperbemalung und Körperschmuck spielen nach wie vor eine große Rolle. Schmuck aus Glasperlen wurde erst durch den Kontakt mit Missionaren und Forschern möglich. Für die Künstlerinnen, die heute vor allem Halsketten und Armbänder herstellen, ist diese Kunstform zum Ausdruck ihrer Selbstermächtigung und Unabhängigkeit geworden.

Bereits in den 1970er Jahren haben Künstler wie Feliciano Lana westliche Zeichen- und Maltechniken für sich entdeckt. Lanas Illustrationen der Mythologie der Desana befinden sich heute unter anderem im MoMA in New York. Der 2021 verstorbene Macuxi Jadier Esbell wurde auf den Biennalen von São Paulo und Venedig gezeigt und ist ebenfalls in der Ausstellung vertreten.

Bemerkenswert sind die visuellen Bezüge, die sich zwischen den unterschiedlichsten Kunstformen entdecken lassen. Sie zeigen, dass die Indigene Kunst Brasiliens – damals wie heute – ein ästhetisches Prinzip ist, das die Welt der Menschen durchzieht und sie mit der ökologischen und spirituellen Umwelt verbindet.