24.Dezember, 19 Uhr, Florenz-Innenstadt: Auf der Piazza della Repubblica herrscht reges Treiben. Fast wie an einem durchschnittlichen Arbeitstag drängen sich Menschenmengen in den beiden antiken Kaffeehäusern der Stadt „Gilli“ und „Paszovski“, bestellen hastig einen Aperitiv, finden keinen Platz für ihre mit Geschenken prallgefüllten Taschen und rufen sich beim Hinausgehen ein rasches „Buon Natale“ zu.
Als in der Toskana lebende Österreicherin kann ich nicht umhin, einen Vergleich mit dem deutschen Wunsch „Frohe Weihnachten“ anzustellen, den man meist in den Tagen vor dem Heiligen Abend austauscht. In Italien haben die meisten Geschäfte am 24. Dezember bis 20 Uhr geöffnet, und die rege Präsenz der Einkaufenden zeigt, dass viele tatsächlich bis zur allerletzten Minute mit der Wahl ihrer Geschenke warten. Der Weihnachtsabend ist daher meist das Ende eines sehr hektischen Tages, der in manchen Familien mit einem größeren Abendessen ausklingt, aber nichts von der beschaulichen, gemütlichen Atmosphäre hat, wie man sie im deutschsprachigen Raum immer noch finden kann.
Auch die Tradition des nachmittäglichen Christbaumschmückens und der heißersehnten Bescherung am Abend findet in dieser Art nicht Italien statt. Den -meist unechten- Baum mit bunten Elektrokerzen stellen viele Italiener zusammen mit einer Krippe schon Mitte Dezember auf und lassen ihn dann etwa einen Monat stehen.
Die Ankunft des Christkindes, das durch eine Glocke und das Öffnen des Weihnachtszimmers für die Kinder angekündigt wird, hat in Italien ebenfalls keine Tradition. In der Nacht des 24.Dezembers hängt man in einigen Familien Weihnachtsstrümpfe wie im englischsprachigen Raum auf, die dann von „Babbo Natale“ gefüllt und am Morgen des 25.Dezembers geöffnet werden. In einigen Regionen Italiens ist es aber auch üblich, die Geschenke am 6.Januar von der guten Hexe „Befana“ bringen zu lassen. Diese Figur aus dem italienischen Volksglauben soll auf der Suche nach dem Jesuskind von Haus zu Haus fliegen und dabei ihre Gaben zurückzulassen. „Böse“ Kinder werden von ihr oft mit einem Stück Kohle bestraft, das heute allerdings meist aus Zucker besteht und nur als kleine Ermahnung an die Kinder verteilt wird.
In Italien feiert man das eigentliche Weihnachtsfest am 25. Dezember, das als großes Familienmittagessen über mehrere Stunden hinweg dauert. Ein mehrgängiges Menü, bei dem in jeder Region eigene Traditionen eingehalten werden, füllt den Großteil des Tages aus. In vielen Teilen Italien isst man nach einer Reihe von „Antipasti“, eine Rindsuppe mit Tortellini, anschließend gebratenes Fleisch oder Fisch mit verschiedenen Beilagen und als krönenden Abschluss den bekannten Kuchen mit kandierten Früchten,. „Panettone“ genannt.
Zuvor ist natürlich auch der Besuch der Messe, sofern nicht die Mette, die in Italien nur um Mitternacht stattfindet, besucht wurde, ein wichtiger Teil von Weihnachten. Häufig sieht man sich aber auch nur die Übertragung der Papstmesse aus Rom im Fernsehen an.
Fröhlich und ausgelassen geht es in vielen Familien zu, für besinnliche Momente bei Kerzenschein, Adventkranz, Weihnachtslieder und Kekse bleibt keine Zeit. Konsum und Hektik statt Ruhe und Beschaulichkeit, leider ein weltweites Phänomen, das auch vor dem italienischen Natale keinen Halt macht.
Ich beende meinen Spaziergang durch die abendlichen Gassen von Florenz. Es ist 20 Uhr , endlich schließen die Geschäfte. Erschöpft aussehende Verkäufer löschen die Lichter und eilen in Richtung ihrer Wohnungen davon. Eine müde aussehende Frau ruft mit lauter Stimme in ihr Handy:“ Stasera Pizza, sono stanca morta!“. (Heute Abend esse wir Pizza, ich bin todmüde!)
Auch ich verlasse das Stadtzentrum, und schlendere in Richtung Bahnhof. Heute Abend steht mir noch eine lange Reise bevor: Ziel Wien!
Ich möchte am nächsten Tag in aller Ruhe „Frohe Weihnachten“ wünschen!
Text von Ute Hirschegger