Die Erinnerung an Heilige und Märtyrer der Kirche geht oft, aufgrund der Zeit oder der nicht verbreiteten Andenken und Taten, verloren. Nichtsdestotrotz sind andere über Jahrhunderte nicht nur präsent als Bildmaterial (Heilige Karten), sondern auch als plastische Darstellung in bestimmten Regionen. So ist der Fall von Johannes Nepomuk, Heiliger, der ca. 1350 im böhmischen Landgebiet geboren wurde. Als deutschsprachiger Böhmer wuchs Johannes unter den Gesetzen und Werten des Heiligen Römischen Reichs in der Zeit von Karl IV (Römisch-deutscher Kaiser) auf. Schon im jungen Alter, ca. zwanzig, gehörte Johannes zum Erzbistum Prag und im Jahr 1380 wurde er als Priester geweiht. Da sein Vater auch als Richter im böhmischen Land tätig war, studierte er Jura an der Universität Prag und setzte seinen Ehrgeiz fort, in dem er seinen Doktortitel des kanonischen Rechts an der Universität Padua – Italien – erlangte.
Johannes Wolffling, so sein bürgerlicher Name, blieb seiner Region treu, diente von 1389 bis zu seinem Tod als Generalvikar in Prag. Gerade in diesen Jahren entstand ein Machtkampf zwischen der Krone und der Kirche. Zu der Zeit war Wenzel IV (ältester Sohn von Karl IV) der König von Böhmen und Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, seine Macht und Einfluss versuchten immer wieder die machtpolitische Kraft der Bischöfe abzuschwächen, in dem er die Präsenz des Erzbistums verkleinern wollte. Der Konflikt zwischen Johannes Nepomuk und König Wenzel IV fing Jahre zuvor an, als der Klerus den König exkommuniziert hatte. Nepomuk wurde verhaftet und gefoltert und letztendlich von der Prager Brücke (heute Karlsbrücke) in der Nacht vom 21. März 1393 in den Fluss geworfen. Seine Popularität breitete sich erst im XVIII. Jahrhundert aus, seine Verehrung begann schon im XIV Jahrhundert in allen Ländern der Böhmischen Krone; Brandenburg, Lausitz, Mähren und Schlesien.
Der Heilige Johannes Nepomuk wurde über Jahrhunderte von Barockkünstlern in zahlreichen Kirchenausstattungen und Druckgrafiken repräsentiert, auf denen er oft mit einem Fünfsternenkranz abgebildet wird. Dieses verstärkt die Legende über den Fund seiner Überreste, nämlich, dass die Kleriker und Stadtbeamte von Wenzel IV fünf Leuchter an der Fundstelle gesehen hatten, als sie seinen Körper in der Moldau gesucht haben. Erst zweihundertneunzig Jahre später wurde die erste Statue von Nepomuk auf der Karlsbrücke enthüllt, wo der Heilige sein Martyrium erlitten hatte. Sie ist ein besonderes Kunstwerk, denn sie diente vielen weiteren Künstlern als Muster. Johann Brokoff, ein slowenischer Bildhauer, dessen Modell bei der Wolf.H. Herold Werkstatt in Nürnberg gegossen wurde, war der Künstler dieser eindrucksvollen Figur, die erste von dreißig Barock Statuen auf der Prager „Karluv most“ überhaupt. Das Kunstwerk besteht aus einem etwa 1,60 m hohen Sandsteinpodest und der ca. 2 m hohen Bronzeskulptur, dabei ist Nepomuk mit einer Märtyrerpalme in der rechten Hand, einem Kruzifix in der linken und der Fünfsternen Krone repräsentiert. Das Gussmodell von Johann Brokoff war die Inspiration vieler Künstler für spätere Darstellungen des Heiligen, der eher als ‚Jan Nepomucen‘ in den slawischen Sprachen bekannt ist. Letzteres kann man feststellen, wenn man querdurch Ober- oder Niederschlesien fährt, hier findet man in allen großen Städten beeindruckende Skulpturen wie z.B. in Breslau vor der Petrus und Paulus Kirche oder in Posen auf dem Altmarkt.
Was aber sicherlich noch mehr berührt, ist wie tief der Glaube an den Heiligen Nepomuk in der Region heranwuchs, selbst wenn wir durch alle Dörfer in allen Richtungen fahren würden, werden wir alle zwei oder höchstens drei kleine Orte immer eine Erinnerung an ihn finden. Dieses hat mit der Geschichte Böhmens zu tun, was auch direkt die Geschichte Schlesiens betrifft. Durch Jahrhunderte waren diese Gebiete sprachlich und kulturell deutsch-sorbisch stark geprägt, sie erfuhren keine große Zuwanderung und die Territorien blieben kompakt und hielten treu zu ihrem König. Im XVIII Jahrhundert nach dem schlesischen Krieg, als Schlesien Teil des preußischen Staates wurde, war gerade für nachfolgende Generationen spürbar, wie christlich bzw. römisch-katholisch diese Regionen blieben. Die Grafschaft Glatz war preußisch bis zum Ende des Ersten Weltkrieges und wurde laut des Vertrages von Versailles Teil von Polen; gerade in dieser Umgebung, wie auch in Tschechien und Österreich, hat sich der Nepomuk Kult erhalten.
Zwischen Glatz (heute Kłodzko) und Neurode (Nowa Ruda) gibt es auf der Landstraße viele Erinnerungssteine für unterschiedliche biblische Figuren. Allerdings fehlt nicht an einem Ortseingang eine Nepomuk Büste. Es ist einfach erfreulich zu erkunden, wie populär er wurde, denn diese Büsten sind in vielen Fällen mindestens ein Jahrhundert alt. Auf weiteren Strecken in der Region ist auch zu beobachten, dass an Hauseingängen in den Orten, z.B. zwischen den Städten Kłodzko und Polanica-Zdrój, Trzebieszowice oder Żelazno, eine Nepomuk Statue die Dorfbewohner bewacht. Jedoch befinden sich direkt in Glatz zwei Denkmale des Heiligen; das eine befindet sich auf dem Westeingang der Kirche Mariä Himmelfahrt auf dem Platz Kościelny. Es besteht aus einem viereckigen Balustradengeländer, auf den Eckpfosten stehen vier Engel und jeder trägt eine Lampe.
Die Statue steht genau in der Mitte und stammt aus dem zwanziger Jahren des XVIII Jahrhunderts, als die Jesuiten eine Gesamtrenovierung des Tempels durchführten. Das zweite Denkmal ist auf der Brücktorbrücke in der Altstadt platziert, auf der mittelalterlichen gotischen Brücke befinden sich insgesamt sechs Statuen und sie ähnelt der Prager Karlsbrücke. allerdings in geringerem Maßstab. Die Brücktorbrücke wurde im Mittelalter immer wieder erneuert, geht über den Młynówka Kanal zu einer Art Halbinsel zwischen Rathausplatz und Franziskaner Kloster. Die erste Statue auf der rechten Seite wurde Sankt Johannes Nepomuk gewidmet, auf dem Sockel ist kein Künstlername erwähnt, sondern das Wappen des Stifters Graf Johann Ernst von Götzen. Auch wenn die Statue keine besonderen Merkmale hat und wie Hunderte ähnlicher Nepomuk Figuren in der Grafschaft Glatz aussieht, verleiht sie eine mystische Ausstrahlung wie bei der „Karluv most“.