Die Galerie Guido W. Baudach freut sich, anlässlich des Gallery Weekend 2021 ihre neunte Einzelausstellung mit Arbeiten des in Berlin lebenden Künstlers Thomas Zipp zu präsentieren. Die Schau ist als raumspezifische Gesamterfahrung konzipiert, die Arbeiten unterschiedlicher Medien wie Malerei, Skulptur und Performance in einer In-Situ-Installation zusammenbringt. Unter dem Titel Response to Transient and Steady State Flickering Stimuli (z. Dt.: Reaktion auf kurzzeitige und dauerhafte Flackerreize) unterzieht Zipp verschiedene Theorien und Verfahren der wissenschaftlichen Erforschung des menschlichen Wahrnehmungsapparats in Bezug auf mentale Prozesse einer künstlerisch experimentellen Überprüfung. Die Galerie wird dabei zum Labor. Zipp verwandelt die Ausstellungsfläche durch den Einbau einer begehbaren Raum-im-Raum Installation, bei der die vorhandenen Wände von einer durchlaufenden, schwarz lackierten Verschalung überlagert werden, in einen organisch geformten Parcours. Der installative Eingriff löst die ursprüngliche Raumstruktur weitgehend auf. An die Stelle des White Cube tritt ein amorpher, dunkler Blob. Die ungewohnte Architektur stellt das von westlichen Gestaltungstraditionen geprägte Orientierungsvermögen auf die Probe. Die auf Ecken und Kanten fixierte Konditionierung der SelbstVerortung in geschlossenen Räumen greift nicht mehr. Die dadurch hervorgerufene Verunsicherung verlangt nach einer Reaktion, ein Sich-Darauf-Einstellen. Das Publikum wird unweigerlich zum Akteur, zum Probanden.
Gleichzeitig fungiert die Rauminstallation als Plattform für eine Reihe von Bildern und Skulpturen, die ebenfalls mit wissenschaftlichen Überlegungen und Techniken bezüglich der Aufnahme und Verarbeitung visueller Reize beim Menschen arbeiten, insbesondere in Bezug auf Stimuli, die durch eine Flackerhaftigkeit der Erscheinung gekennzeichnet sind. Eine von Zipps entsprechenden Erprobungen mit dem Titel Transient and Steady State Flickering besteht aus zwei Hockern und einem Tisch mit neun darin eingelassenen Glühlampen, die als magisches Quadrat angeordnet sind und in unvorhersehbarer Abfolge aleatorisch aufflackern. Die kleine Installation führt gleichsam das Eigenleben einer primitiven KI. Sie ist sowohl poetische Geste als auch funktionale, sinnesphysiologische Versuchsanordnung und steht dem Publikum zur performativen Anwendung offen. Ähnlich verhält es sich mit einer Serie von Gemälden, die mit dem Titel Blind Spot Testing Unit (z. Dt.: Prüfungseinheit Blinder Fleck) versehen sind und die Zipp hinsichtlich Farbkombination und graphischem Muster der Hintergründe unter Rückgriff auf entsprechende Modelle aus der Neuro- und Kognitionswissenschaft, etwa auf das Hermann-Gitter oder die Kaffeehaustäuschung, derart gestaltet hat, dass sie nicht allein als autonome künstlerische Schöpfungen, sondern zudem auch als Werkzeuge der Erforschung menschlicher Sinnesperzeption funktionieren. Weitere, teils großformatige malerische Werke sind der Analyse unseres Zeitgefühls sowie den durchaus vielfältigen Theorien zur vierten Raumdimension und ihrer Perzeption gewidmet, während eine Pillen-ähnliche Sockel-Skulptur den medizinisch-therapeutischen bzw. pharmazeutisch-narkotischen Kontext der Wahrnehmungsforschung in den Focus nimmt.
Zipp verhandelt die entsprechenden Zusammenhänge, in dem er ebenso prägnante wie vielschichtige transformatorische Bilder, Objekte und Situationen erzeugt, die nicht allein auf einer profunden Auseinandersetzung mit der Thematik an sich beruhen, sondern auch aus einem ganz eigenen, rhizom-artig die verschiedensten Aspekte von Kunst- und Kulturgeschichte damit verknüpfenden Vokabular heraus entwickelt sind; eine Vorgehensweise, für die der narrative Konzeptualismus seiner Praxis weithin bekannt ist.
Thomas Zipp, geboren 1966 in Heppenheim, lebt und arbeitet in Berlin. Zipp hat an zahlreichen wichtigen Ausstellungen im In- und Ausland teilgenommen, in den letzten zehn Jahren unter anderem an Au rendez-vous des amis, Klassische Moderne im Dialog mit Gegenwartskunst aus der Sammlung Goetz, Pinakothek der Moderne, München, 2020; Studio Berlin, Berghain, Berlin, 2020; Counter Culture – 25 Years Sammlung Falckenberg – Objects and Installations, Deichtorhallen, Hamburg, 2019; Now is The Time, Kunstmuseum Wolfsburg, 2020; A PRIMER OF HIGHER SPACE (The Family of Man revisited), Kunsthalle Gießen, 2018 (solo), Double Lives. Visual artists making music, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig, Wien, 2018; White Rabbit (Martin Luther), Overbeck-Gesellschaft, Lübeck, 2017 (solo); Aftermieter, Haus Mödrath, Räume für Kunst, Mödrath, 2017; The Threshold Problem and Some Possible Ways to Solve It, Cc Foundation, Shanghai, 2016 (solo); ICH ist eine EGO-Maschine, ERES-Stiftung, München, 2016; Manifesta 11, Zürich, 2016; Avatar & Avatismus. Outside der Avantgarde, Kunsthalle Düsseldorf, 2015; Le mur. Works from the Collection of Antoine de Galbert, La Maison Rouge, Paris, 2014; 11. Dak’Art – Biennale de l’Art Contemporain, Dakar, 2014; Comparative Investigation about the Disposition of hte Width of a Circle, 55. Biennale di Venezia, Venedig, 2013 (solo); Das Glück kommt aus dem Nichts. Werke aus der Slg. Wilhelm Otto Nachf., Kunsthalle Nürnberg, 2013; Paintings from the Rubell Family Collection, Fundaciòn Santander, Madrid, 2012; The World’s most complete Congress of Ritatin Treatments, Kunstraum Innsbruck, 2011 (solo); (WHITE REFORMATIN CO-OP) MENS SANA IN CORPORE SANO, Kunsthalle Fridericianum, Kassel, 2010 (solo); Hareng Saur: Ensor and contemporary art, S.M.A.K., Gent, 2010; Wystawa, Muzeum Sztuki Nowoczesnej, Warschau, 2010; If Not In This Period Of Time: Contemporary German Painting 1989 – 2010, Museo de Arte de São Paulo, 2010. Seit 2008 ist Thomas Zipp Professor an Universität der Künste in Berlin. Eine umfangreiche Überblicksdarstellung zu seinem bisherigen Werk mit dem Titel A23 ist unlängst bei Distanz erschienen.