Am 9. November jährt sich zum 30. Mal der Fall der Berliner Mauer im Jahre 1989. Die Ausstellung zum Jahrestag erinnert mit ihrem Titel "Querschläger" daran, dass an dieser Mauer scharf und oft mit tödlichem Ausgang geschossen wurde. In dem kurzen Zeitraum von nur fünf Jahren seit der ersten Ausstellung mit dem Titel "Querschläger" 2014, zum 25. Jahrestag des Mauerfalls, hat sich die politische Weltsituation leider derart gewandelt, dass das Thema wesentlich brisanter geworden ist. Während die einst geteilte Stadt Berlin immer noch für große Ausdrucksfreiheit und friedlichen und kreativen internationalen Austausch steht, werden, angeheizt durch populistische Bewegungen, an vielen Orten neue Mauern und Barrieren errichtet. Nicht nur scheint die Spaltung zwischen Ost und West in Deutschland auch nach dreißig Jahren noch immer nicht überwunden, die Zeichen mehren sich, dass sie sich sogar vertieft. Vergleichbare Polarisierungen und Gräben finden sich zunehmend auch z.B. in den USA, Frankreich, Italien und Großbritannien (Brexit). Überhaupt erstarken in vielen Teilen der Welt nationalistische, auf Abschottung drängende Bewegungen. Neue Grenzzäune und Grenzkontrollen wurden in Europa hochgezogen, um Flüchtlinge aus Krisengebieten fernzuhalten, Präsident Trump plant noch immer, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu errichten, die friedensbringende offene Grenze zwischen Nord-Irland und der Republik Irland droht wieder zu einer harten Grenze zu werden. Die Handelskriege zwischen den USA und China sowie zwischen Japan und Südkorea, wie auch die Kündigung verschiedener Verträge durch die USA blockieren immer mehr die friedliche und produktive Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Nationen und fachen überwunden geglaubte Spannungen wieder an. Angesichts dieser besorgniserregenden Entwicklungen ist der Fall der Berliner Mauer ein hochaktuelles und mahnendes Beispiel dafür, wie wichtig es ist, Grenzen und Mauern nicht nur in konkreten politischen Fakten zu überwinden, sondern auch in unseren Köpfen.
Der Begriff Querschläger wird im übertragenen Sinne auch für unangepasste Personen verwendet, Querdenker, die nicht mit dem Strom schwimmen. Diese Querköpfe bieten wichtige alternative Sichtweisen, die das Potenzial haben, konformistischem oder populistischem Denken entgegenzuwirken und positive Veränderung in Richtung Toleranz und Akzeptanz des Anderen anzustoßen. Schon vor dem Fall der Mauer war Berlin sowohl im Westen als auch im Osten ein Magnet für diese Individuen. Die Ausstellung zeigt visuell bestechende Arbeiten von Künstlern von beiden Seiten der innerdeutschen Grenze, die schon vor Fall der Mauer in Berlin aktiv waren: Rainer Fetting, Luciano Castelli und Stefan Roloff in Westberlin, sowie Sven Marquardt in Ostberlin. Vor allem die Arbeiten aus den 1980er Jahren sind von besonderem kunsthistorischen Interesse. Sie werden ergänzt durch weitere Positionen, die einerseits die Berliner Geschichte aus der Distanz reflektieren, wie bei Holger Bär und Patricia Waller, andererseits aus der Sicht einer jüngeren Generation, welche die Mauer als geschichtliches Ereignis wahrnehmen, wie im Fall von Lies Maculan. Zusammen präsentieren diese Arbeiten Sichtweisen auf die Mauer als konkretes Artefakt als auch auf die Mauer – und ihre Überwindung! – in unseren Köpfen. In ihrer Vielfältigkeit demonstrieren sie eindrucksvoll den inneren Reichtum, der durch Freiheit und das Fallen von Grenzen ermöglicht wird.