Martin Kippenberger (1953–1997) war einer der vielseitigsten, produktivsten und einflussreichsten deutschen Künstler seiner Generation. Wie kein anderer verkörpert er das Bild des ‚typischen Künstlers‘. Wie kein anderer lebte er eine untrennbare Symbiose von Leben und Kunstproduktion – intensiv und exzessiv mit allen persönlichen Konsequenzen. Alle seine Arbeiten sind im weitesten Sinne Selbstporträts, sagen etwas über ihn und sein Umfeld aus – auch die, die ihn nicht zeigen. Sein Werk ist komplex und gründet in einer permanenten Befragung seines Selbst, er scheut dabei nicht vor Brüchen oder einem gänzlichen Scheitern zurück.
Ich will Einfluß nehmen, darauf, wie über diese Zeit debattiert wird.
(Martin Kippenberger)
Kippenbergers Aktivitäten umfassten auch Schauspielern, Performen, Ausstellungsmachen, Organisieren und Schreiben. Zu seinem reichen Œuvre gehören Musik, Fotografien, Zeichnungen, Plakate, Collagen, Multiples, Editionen, Künstlerbücher, Gemälde, Skulpturen und raumgreifende Installationen. Sein Gefühl für den öffentlichen Auftritt war ebenso eine wichtige Werkstrategie wie sein gut funktionierendes Netzwerk.
Seine Kunst eignet an, sie zitiert und dekonstruiert, bevor sie Neues konstruiert. Kippenbergers Arbeit basiert auf einer guten Kenntnis der Kultur- und Zeitgeschichte und einer präzisen Beobachtung des alltäglichen Lebens. Konstant greift er aktuelle Themen aus Gesellschaft, Politik und (Pop-)Kultur auf. Ebenso reflektiert er Themen und Traditionen der bildenden Kunst. Sein Facettenreichtum, das selbstverständliche, scheinbar beliebige, unkonventionelle, humorvolle Spiel mit Formen und Inhalten stellen ihn zudem in eine dadaistische Tradition – man denke etwa an Kurt Schwitters’ Ursonate und seinen parodierenden Umgang mit Sprache.
Und ich arbeite daran, daß die Leute sagen können: Kippenberger war gute Laune!
(Martin Kippenberger)
Kippenbergers künstlerische Gesten spiegeln nur auf den ersten Blick einen unbekümmerten Dilettantismus, den er jedoch wohl durchdacht und strategisch eingesetzt hat. Sein Werk ist geprägt von überbordender Kreativität, großer Empathie sowie inhaltlicher und formaler Diversität.
Er war ein Meister des Auslotens und Zusammenfügens und kombinierte z.B. banale Motive wie ein Ei mit philosophischen Verweisen – Irritationen, Provokation, Neugier und Leidenschaft prägen sein Werk. Seine intuitive Intelligenz eröffnet viele und manchmal kontroverse Interpretationsmöglichkeiten: Sie fordert, sein Werk als ein Ganzes, als ein Netzwerk wahrzunehmen.
In seinen wechselnden Rollen erschuf und veränderte sich Kippenberger als Künstler und hinterfragte Identifikationen und Autorschaft. So beauftragte er zum Beispiel einen Plakatmaler eine Werkserie mit dem Titel Lieber Maler, male mir anzufertigen, was ungewöhnlich und außerhalb jeder Norm war.
Pointiert setzt er Sprache ein und intensiviert damit die narrativen Komponenten seiner Werke. Seine Titel liefern meistens den Schlüssel zu den Themen, so zitiert auch die Ausstellung den Titel eines seiner Werke und bildet Martin Kippenbergers Haltung des permanenten Gebens und Nehmens, des Input und Output vortrefflich ab.
Die Ausstellung selbst spiegelt seine außergewöhnliche Produktivität, präsentiert Werke aus allen Schaffensperioden und den meisten Medien und öffnet so die Rezeption und Diskussion für die heutige Zeit.