Kalifornien und speziell San Francisco stehen als Sehnsuchtsorte seit jeher für die Träume von einem „besseren Leben“: Träume von Wohlstand und Überfluss, von anderen (zuweilen utopischen) Gesellschaftsordnungen, innovativen Lebensentwürfen, kreativen künstlerischen Perspektiven und neuen technologischen Horizonten. Sowohl der pazifisch-asiatische Raum im Westen als auch Europa im Osten haben San Francisco nachhaltig geprägt.
Die Bay Area bietet eine magische Umarmung an, die Generationen von Außenseitern und Ausgestoßenen das Gefühl gegeben hat, zu Hause zu sein.
(Lawrence Rinder, Direktor des Berkeley Art Museum and Pacific Film Archive)
Immer wieder gingen von San Francisco weltweite Impulse aus: vom Goldrausch im 19. Jahrhundert bis hin zu den großen sozialen und politischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts. Heute bildet Silicon Valley einen erneuten globalen Anziehungspunkt in der San Francisco Bay Area.
Die Ausstellung zeichnet ein vielfältiges Porträt der Stadt San Francisco über vier Jahrhunderte. Sie berührt wichtige globale Fragen unserer Gegenwart, besonders die Themen Migration und Vertreibung, und würdigt San Francisco als einen Ort, dessen pluralistische Identität bis heute stetig neu verhandelt wird. In drei Abschnitten widmet sich die Ausstellung den Träumen und Realitäten der Menschen in der San Francisco Bay Area in Vergangenheit und Gegenwart.
Globale Träume und individuelle Hoffnungen
Kalifornien – ein klimatisch besonders begünstigter Ort – war die Heimat von über 70 indigenen Völkern, doch seit dem 16. Jahrhundert rangen die Kolonialmächte England, Spanien und Russland um die reichen natürlichen Ressourcen des Landes. Für die indigene Bevölkerung bedeutete das erzwungene Missionierung, wirtschaftliche Ausbeutung, Verdrängung und Tod.
Die 1776 unter der Herrschaft des Vizekönigreichs Neuspanien gegründete Mission San Francisco de Asís, der zu ihrem Schutz eingerichtete militärische Stützpunkt (Presidio) sowie der kleine Hafenort Yerba Buena bildeten die Keimzelle des heutigen San Francisco. Weiter nördlich an der Pazifikküste errichteten 1812 russische Pelzhändler die Kolonie Ross. Der Mexikanische Unabhängigkeitskrieg setzte 1821 der spanischen Kolonialherrschaft ein Ende und machte Kalifornien zur mexikanischen Provinz, bis es 1848 den Vereinigten Staaten zufiel.
Ab 1849 lockte der Goldrausch weltweite Migrationsströme an das Golden Gate. San Francisco wuchs in Rekordzeit zu einer Metropole heran. Hunderttausende Einwanderer aus Europa und Asien prägten das Bild der Stadt, deren kulturelle Vielfalt allerdings nicht über die ethnischen und sozialen Hierarchien hinwegtäuschen darf, die von Anfang an herrschten. Bereits in den 1850er Jahren befanden sich 80 Prozent des Sach- und Grundbesitzes in San Francisco in der Hand von weniger als fünf Prozent seiner weißen Bevölkerung.
Überlebensträume und der amerikanische Mainstream
Das verheerende Erdbeben von 1906 versetzte San Franciscos Aufschwung einen jähen Rückschlag. Bis heute stellt die geografische Lage Kaliforniens in einem der aktivsten Erdbebengebiete der Welt eine ständige Gefahr dar. Zudem war die rasante Erschließung der reichen Ressourcen Nordkaliforniens seit 1850 mit einer erheblichen Ausbeutung der Natur einhergegangen, die bis heute nachwirkt.
Um ihr reales und kulturelles Überleben hatten seit dem Vordringen der Europäer vor allem die indigenen Bewohner der Region gekämpft. Das Schicksal von Ishi (ca. 1860–1916), „dem letzten Yahi“, gemahnt an die Enteignung, Vertreibung und Ermordung der Ureinwohner Kaliforniens, verdeutlicht aber auch ihre hartnäckige kulturelle Selbstbehauptung.
1915 feierte die Weltausstellung in San Francisco die Fertigstellung des Panamakanals im Jahr zuvor und den Wiederaufbau der Stadt. Das Vertrauen in den technologischen Fortschritt und in die Konsumgesellschaft auf der Grundlage religiös-konservativer Werte blieb trotz Krieg und Wirtschaftskrise Teil des amerikanischen Selbstverständnisses. 1939 zelebrierte eine zweite Weltausstellung unter anderem den Bau der Golden Gate Bridge (1937).
Die Internierung von etwa 120.000 Japanern und japanischstämmigen Amerikanern während des Zweiten Weltkriegs zählt zu den weniger bekannten Kapiteln der amerikanischen Geschichte, illustriert aber nur allzu klar, dass das "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" nicht allen gleichermaßen offenstand.
Gegenkulturen und virtuelle Träume
Die politischen Bewegungen, alternativen Lebensentwürfe, künstlerischen Innovationen und technologischen Revolutionen, die im 20. und 21. Jahrhundert in der San Francisco Bay Area ihren Ausgang nahmen, hatten und haben bis heute weltweite Auswirkungen.
Der radikale Bruch der Beat-Poeten mit den gesellschaftlichen Normen der 1950er Jahre ebnete den Weg für die folgenden Jahrzehnte, in denen Studentenproteste und die Hippiebewegung globale Strahlkraft erzielten. Die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung, indianische Aktivisten und die LGBTQ-Bewegung forderten erfolgreich Gleichberechtigung und gesellschaftliche Teilhabe ein. Heute macht das Milliardengeschäft mit unseren virtuellen Träumen das Silicon Valley im Süden der San Francisco Bay Area zu einem neuen Einwanderungsmagneten.
San Francisco ist auch heute eine Stadt mit großer Anziehungskraft und setzt nach wie vor progressive Impulse zum Beispiel hinsichtlich emanzipatorischer oder ökologischer Gesellschaftsfragen. Sie war und bleibt ein Sehnsuchtsort – für Kreative, Andersdenkende und all diejenigen, die ihre Träume von einem besseren Leben dort zu verwirklichen hoffen. Und dennoch ist San Francisco – wie viele andere Städte weltweit – ein Ort, dessen pluralistische Identität immer wieder Fragen aufwirft.