In unserer Sommerausstellung zeigen wir eine Auswahl typischer Werke der chinesischen Künstler Ji Dachun, Qiu Anxiong und Zheng Guogu. In ihrer Kunst spiegelt sich der ökonomische und soziokulturelle Umbruch, den China in den letzten Jahrzehnten erlebt hat, wider. Indem sie sich einerseits auf die chinesische Kulturtraditionen besinnen und gleichzeitig auf den Einfuss des Westens reagieren, ermöglichen uns ihre Werke den Zugang zu einer jahrtausende alten Hochkultur.
Ji Dachun hat in seiner Malerei zu einer unverwechselbaren Bildsprache gefunden. Der klassischen chinesischen Bildtradition verbunden, setzt er sich zugleich intensiv mit der westlichen Moderne und der zeitgenössischen Malerei von Philip Guston bis Victor Man auseinander. Ohne westliche Gegenwartskunst zu imitieren, gelingt ihm eine natürliche Synthese, die zu unerwarteten Bildfndungen führt. Wie in der im 5. Jahrhundert entstandenen chinesischen Landschaftsmalerei, der sogenannten Shan-Shui Malerei, ist das Sujet seiner Bilder zweitrangig. Es geht ihm um den Prozess des Malens an sich, um Komposition und darum, die richtige Form für das zu fnden, was ihn bewegt. Entgegen zentralperspektivischer westlicher Bildkonventionen öffnet sich hier ein Freiraum für Geist und Vorstellungskraft. Statt mit Tusche und Pinsel auf Papier malt er gestisch und pastos in Acryl auf Leinwand. Amorphe und organische Formen fügen sich mit Gegenständlichem zu eigenen Bildwelten. Seit er seinen Wohnort von Peking nach Berlin verlegt hat, lösen sich seine weißen oder dunklen Landscapes von 2018 und 2019 vollends in abstraktem "All-Over" auf. Seine Bilder sind von einer traumartigen Atmosphäre durchdrungen und evozieren das Kontemplative und Innerliche der chinesischen Literati-Malerei.
Qiu Anxiong ist bekannt für seine vielfach ausgezeichneten Animationsflme, die bewusst Referenzen zu chinesischer Tuschemalerei und klassischen Rollbildern herstellen. Die Überführung traditioneller Elemente in einen zeitgenössischen Kontext ist das Besondere seiner Arbeiten. Ein mehrjähriger Studienaufenthalt in Deutschland bis 2003 an der Kunsthochschule Kassel verändert Qiu Anxiongs Sichtweise auf China und führt zur Auseinandersetzung mit der eigenen chinesischen Identität, mit chinesischer Mythologie und Philosophie.
Für seinen Film The Temptation of the Land, entnimmt Qiu Anxiong Bildquellen aus dem Young Companion, einem Bildmagazin ähnlich dem amerikanischen Life Magazine, das in hoher Aufage seit 1926 in Shanghai erschienen ist. Die Inhalte reichen von politisch und sozialkritisch brisanten bis zu populären Themen. Die Auswahl der angeeigneten Bilddokumente illustriert den rasanten Wandel Chinas, ausgehend von der Gründung der Republik 1911, nach dem Ende der Qing Dynastie bis zur Kulturrevolution.
Die in der Ausstellung gezeigten schmalen Friese beziehen sich formal auf chinesische Rollbilder. Jede Bildkomposition in Acryl auf Leinwand fungiert als Vorlage für eine flmische Einstellung, wobei der Künstler in subtilen malerischen Eingriffen, durch sukzessives Ausradieren und Hinzufügen, Veränderungen an den Kompositionen vornimmt. In ihrer malerischen Umsetzung wird die subjektive Empfndung des Künstlers für den jeweiligen historischen Moment sichtbar. In fgurativer bis freier abstrakter Malerei begibt er sich ästhetisch wie historisch auf Spurensuche. Er arbeitet gegen das Vergessen alter Traditionen, Werte und Moralvorstellungen und den Verlust der eigenen chinesischen Identität.
Zheng Guogus Interesse gilt der globalen Konsumkultur und deren Einfuss auf die kulturelle Tradition Chinas. Der Künstler lebt und arbeitet in seiner Geburtstadt Yangjiang, einer Kleinstadt im Süden Chinas. Sein berühmtes Projekt ist die Gestaltung von Liao Garden, einem chinesischen Landschaftsgarten, den er seit Jahren nach historischen Vorbildern ständig umgestaltet. Viele seiner Kunstprojekte entstehen aus seinem lokalen und persönlichen Umfeld heraus. Seine Fotoarbeit Me and My Teacher, 1993, das den Künstler mit einem geistig Behinderten zeigt, steht sinnbildlich für Guogus experimentelle Kunstpraxis. Die Massenmedien inspirieren Zheng Guogu zu der Serie Computer is controlled by Pig's Brain. Textfragmente, Werbelogos oder Passagen aus Hongkongs Unterhaltungsmagazinen in chinesischen Schriftzeichen, vermischt mit englischen Wörtern, malt er mit Schablonen in bunten Farben auf Stoff und Filz.
Auf dem farbigen Untergrund fügen sie sich zu einer variationsreichen Komposition, erinnern dabei an die Tradition von Siegeldrucken, sogenannten 'Siegel der Muße' der klassischen chinesischen Malerei. Mit der bis heute unabgeschlossenen Fotoarbeit Ten Thousand Customers provoziert Zheng Guogu seit 1997 den elitären Kunstbetrieb. Die Fotos sind Unikate, werden aber in einer fortlaufenden, auf zehntausend Bilder angelegten Serie produziert und besitzen trotz aufwändiger Herstellung Aspekte von Massenware. Aktuelle Fernsehbilder werden mit negativgroßen Fotos von Modellen kleiner Spielzeugautos überblendet, anschließend zerschnitten und minutiös wieder zusammengesetzt. Es entstehen unscharfe Bilder, welche die Reizüberfutung und Flüchtigkeit der Medien und die Massenproduktion von Billigwaren ironisch kommentieren. Der Käufer kann nicht aus den Bildern auswählen. Sie werden ihm zugeteilt. So hat er Anteil an einem Gesamtkunstwerk, dessen Dauer und Ausmaß er nicht überblickt.
Ji Dachun, *1968 in Nantong, Provinz Jiangsu, China, lebt und arbeitet in Berlin und Beijing. 1994 Abschluss an der Fakultät für Ölmalerei der Zentralen Kunstakademie, Beijing, China. Ausstellungen (Auswahl): 56. Venedig Biennale, Italien, 2015; Museum Marta Herford, 2015; Ludwig Museum, Koblenz, 2015; Ullens Center for Contemporary Art, Beijing, China, 2014; The 1st Xinjiang International Arts Biennale, Urumqi, China, 2014; MACRO Museo d‘Arte Contemporanea Roma, Italien, 2013; Soka Art Center, Beijing, 2013; Biennale Special Exhibition, Gwangju, Südkorea, 2012; Kunstmuseum Luzern, 2011; Kunstmuseum Bern, 2007; Shanghai Art Museum, China, 2007.
Qiu Anxiong, *1972 in Chengdu, Provinz Sichuan, lebt in Shanghai und unterrichtet an der Shanghai Normal University. Er studierte an der Kunstakademie Sichuan sowie an der Kunsthochschule Kassel. Ausstellungen (Auswahl): MAB Modern Art Base, Shanghai, 2018; MOCA Yinchuan, China, 2017; Astrup Fearnley Museet, Oslo, Norway, 2017; Metropolitan Museum of Art, New York, USA, 2016; Kunsthaus Graz, Austria, 2015; MOCA Shanghai, China, 2014; Arken Museum of Modern Art, Copenhagen, Denmark, 2013; OCAT Contemporary Art Museum, Shenzhen, 2011; Istanbul Modern Art Museum, Turkey, 2011; Spencer Museum of Art, Lawrence, KS, USA, 2010; Staatliche Museen zu Berlin, 2008; Museum d’art modern Grand-duc Jean, Luxembourg, 2008; Sydney Biennale, 2008; Shanghai Biennale, 2008; China Power Station I, II und III, Serpentine Gallery London u.a., 2006 - 2008; Astrup Fearnley Museet for Moderne Kunst, Oslo, 2007; Museum of Contemporary Art Tokyo, Japan, 2007.
Zheng Guogu, *1970 in Yangjiang, Provinz Guangdong, China; Zheng Guogu studierte an der Kunstakademie von Guangzhou. Ausstellungen (Auswahl): MoMA PS1. New York, USA, 2019; MAK Wien, Österreich, 2019, San Francisco Museum of Modern Art, USA 2019, Guggenheim Museum, New York, USA, 2018; The Queensland Gallery of Modern Art, Australia, 2018; OCAT Shanghai, China 2017; Mirrored Gardens, Guangzhou, 2017; Ubiquitous Plasma, OCAT Xi'an, 2015, 10th Shanghai Biennale, 2014; 3rd Guangzhou Triennial, 2008; Documenta 12, Kassel, 2007; Walker Art Center, 2007, Biennale Venedig, 2003.