Zwei Künstlerinnen der Galerie sind eingeladen, als Jubiläumsbeitrag zum 30-jährigen Bestehen der Barbara Gross Galerie das Programm ihrer eigenen Vermittlerin zu befragen und zu interpretieren. Als zweiter Teil dreier, aufeinander folgender, retrospektiver Ausstellungen trägt die von Ayşe Erkmen und Karin Sander kuratierte Auswahl von Werken aus der Sammlung der Galerie den Titel Präzision & Politik und ist der Interpretationsversuch einer subjektiven Annäherung an die ästhetische Ausrichtung des Galerieprogramms.
Wenn im ersten Teil der Ausstellungsreihe der Fokus auf Barbara Gross´ persönlicher Unternehmungslust und Neugierde lag, Kunst von Frauen als Initiationsgedanken der Galerie zu verstehen, wie hat sich, so die Frage der Künstler-Kuratorinnen, ihr Anspruch in der Phase der zweiten Dekade weiterentwickelt? Welches Feld hat sie bereitet, um aus ihm heraus zu argumentieren?
Nehmen wir an, es sei ein Gesetz, dass die Aufeinanderfolge sehr unähnlicher Äußerungen, die hier sinngemäß autonome Ausstellungen waren, zwangsläufg einen Zusammenhang, einen hintergründigen Subtext ergeben, dann besteht die Statik des Gesamtexperiments aus Logik und abzulesender Regeln. Ähnlich wie die Beteiligten an einem gemeinsam gezeichneten Cadavre Exquis, füreinander blind, ein nie dagewesenes Wesen erschaffen, sich aber, wie wir erkennen, sehr wohl an die anatomisch notwendigen Schnittstellen von Hals und Beinen halten, um es aufzurichten und zu benennen, unternimmt die Ausstellung Präzision & Politik den interessanten Versuch die Schnittstellen der Galerie mit ihrer Natur nach uneindeutigen Kunstwerken zu entfalten. Und um im Bild gemeinsamen Handelns zu bleiben, wird an die Besucher der Ausstellung und Kenner der Galerie das Spiel Cadavre Exquis gedanklich weitergereicht, damit dem Wesen, das bereits mit Kopf, Oberkörper und anderen Extremitäten versehen ist, einen eigenen Boden zu zeichnen und ihm damit einen Ort zu geben.
Woher kommen die Begriffe für die Ästhetik der Barbara Gross Galerie, die sich vormals soziopolitisch in der Frauenfrage engagiert hatte? Und was hat die Vermittlerin selbst vom präzisen Verfassen der Werke ihrer Künstlerinnen gelernt? Denn das Konzeptuelle als Antithese zum emotional Expressiven einte die Gruppe der Künstlerinnen schon in der ersten Dekade. Die Begriffe kommen aus dem Kontinuum des Realisierens von Ausstellungen und aus der Begegnung in der Kooperation mit KünstlerInnen und schließlich aus der Erkenntnis, dass sich das Prinzip von Präzision und Politik gegebenenfalls auf ein breites Spektrum erweitern läßt und sich schließlich die Frauenfrage in eine Frage allgeschlechtlicher Würde verwandelt. So sehen es zumindest die Künstler-Kuratorinnen als einen augenscheinlichen Ansatz ihre Galerie zu beschreiben und den Kontext, den sie hier, unter der Schirmherrschaft von Barbara Gross, auch selber bilden zu benennen.