Furore machte die japanisch-schweizerische Künstlerin Leiko Ikemura erstmals in der Schweiz Anfang der 1980er-Jahre mit ihrer ausdrucksstarken und kämpferischen Bildwelt im Umfeld der Neuen Wilden. International berühmt ist sie heute für in Zwischenwelten schwebende Mädchen und kosmische Landschaften mit märchenhaften Mischwesen. In Japan wird sie gefeiert als Künstlerin, die sich gerade durch das konsequente Eintauchen in die westliche Kunst zunehmend ihrer kulturellen Heimat bewusst wurde und zu einer einzigartigen Synthese beider Kulturen gefunden hat.
Die Ausstellung Nach neuen Meeren mit Zeichnungen, Gemälden und Skulpturen ist eine konzentrierte Retrospektive, die in Zusammenarbeit mit der Künstlerin und in Kooperation mit dem National Art Center in Tokyo präsentiert wird.
Leiko Ikemura studierte zunächst Literatur in Osaka und Spanien und ab 1973 Malerei an der Escuela Superior de Bellas Artes in Sevilla. Danach zog sie für einige Jahre nach Zürich, in den achtziger Jahren dann nach Deutschland, wo sie heute noch lebt. 1987 richtete ihr Dieter Koepplin als Leiter des Kupferstichkabinetts im Kunstmuseum Basel | Gegenwart die erste umfangreiche Ausstellung aus.
Angeregt durch einen Aufenthalt in Graubünden 1989 entwickelte Ikemura eine neue visuelle Sprache, die zur Verschmelzung von Körper und Landschaft in der Werkgruppe der «Alpenindianer» führte. Darauf folgten archaisch anmutende Hybridwesen, die vermehrt auch in der Skulptur ihren Ausdruck fanden. In den 1990er-Jahren wurden diese von weiblichen Figuren abgelöst, die scheinbar schwerelos am Horizont zwischen Erde und Himmel, Vergangenheit und Zukunft schweben, verletzlich und unerreichbar zugleich. In ihren jüngsten Arbeiten versinnbildlicht Ikemura heute die melancholische Sehnsucht nach der Verschmelzung von Mensch und Natur in Traum- oder Seelen-Landschaften. Die Phänomene der Formwerdung und Verwandlung schliessen darin den Bogen zum Frühwerk.
Die Auseinandersetzung mit dem Fremdsein, mit Einsamkeit und der Aneignung neuer Sprachen erlaubt Ikemura den Freiraum, ihre eigene authentische Synthese der japanischen und europäischen Kultur zu finden. Die «Kriegsgöttin» des Frühwerks ist heute der «Amazone» gewichen, die Stärke und Gelassenheit ausstrahlt.