Die Ausstellung „Local Histories“ spürt Beziehungen und Bedingungen nach, unter denen zentrale Werke der Sammlungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelt wurden.
„The history of art and art’s condition at any time are pretty messy“ schreibt Donald Judd 1964 in einem Artikel, der sich der New Yorker Kunstszene widmet. Er wendet sich darin gegen traditionelle Unterscheidungen von Stilen und Gattungen und plädiert für eine ungezwungene Begegnung mit Kunstwerken. Judds Analyse einer lokalen Szene ist Ausgangspunkt für das Experiment, Werke aus der Friedrich Christian Flick Collection und der Sammlung der Nationalgalerie, ergänzt durch ausgewählte Leihgaben, in den Kontext ihrer Entstehung zu bringen.
Mit welchen Themen und Diskussionen waren die Künstler konfrontiert? Wo konnten sie ihre Werke zeigen, mit wem waren sie freundschaftlich verbunden und tauschten sich aus? Woher bezogen sie Anregungen? Diese Fragen trägt die Ausstellung im Hamburger Bahnhof– Museum für Gegenwart – Berlin an Künstler der Sammlungen heran. Durch teils ungewohnte Werk-Aufstellungen werden Freundschaften und Netzwerke sichtbar, gemeinsame Themen und kollaborative Projekte vorgestellt. Den Wohnorten der Künstler, ihren Reisen und Kontakten folgend rücken dabei die deutschen Kunstzentren Düsseldorf, Köln und Berlin ebenso in den Blick wie New York und Los Angeles.
Den Auftakt der Ausstellung „Local Histories“ bilden Künstlerinnen und Künstler, auf die Donald Judd bei zahlreichen Galeriebesuchen im New York der 1960er-Jahre aufmerksam geworden ist und deren Werke sich heute im Hamburger Bahnhof befinden. Dabei favorisierte er Arbeiten, die sich nicht in die Kategorien Skulptur oder Malerei einteilen ließen, sondern einen ungewohnten Umgang mit dem Raum erprobten.
Ende der 1960er-Jahre veranlassen solche der Minimal Art und Konzeptkunst zuzuordnenden Werke Konrad Lueg dazu seine künstlerische Arbeit aufzugeben und unter dem Namen Konrad Fischer eine Galerie zu gründen. Diesem Schritt, vom Künstler zum Galeristen, folgt der zweite Ausstellungsabschnitt. Hier sind auch Werke von Konrad Lueg und seinen Studienkollegen Gerhard Richter, Sigmar Polke und Manfred Kuttner zu sehen.
Im Anschluss wird das Programm der Konrad Fischer Galerie mit Schlüsselwerken aus den Sammlungen in der Nationalgalerie vorgestellt, das vor allem darin bestand, transatlantische Verbindungen zu stiften. Dem Publikum in Berlin werden hier sehr junge künstlerische Positionen aus den USA nähergebracht, darunter Carl Andre, Bruce Nauman, Sol LeWitt, Dan Flavin oder die in New York lebende Hanne Darboven.
Ein zentraler Raum der Ausstellung thematisiert die Kunstszene in Los Angeles. Seit den 1990er-Jahren entwickelt Paul McCarthy hier aufwändige und häufig provokante Installationen und Videoproduktionen, in denen er Bilder einer von Konsum, Gewalt und sexuellen Phantasien angetriebenen Gesellschaft entwirft.
In die Ausstellung ist eine wandgreifende Malerei von Richard Jackson integriert, für die ihm rotierende Leinwände als Pinsel dienten. 2006 hat er diese Arbeit in den Rieckhallen im Hamburger Bahnhof realisiert. Für „Local Histories“ ist sie wieder freigelegt worden.
Dass durch freundschaftliche Verbindungen, soziale Kontakte, das Unterwegssein oder Gespräche unter Künstlern Werke nicht nur initiiert und beeinflusst werden, sondern dass diese Situationen auch selbst als künstlerische Praxis betrachtet werden können, zeigt Rirkrit Tiravanija im letzten Teil der Ausstellung.