Für seine Arbeit „Dear Bill Gates” von 1999 dokumentierte der Künstler Allan Sekula, wie er so nah wie möglich an das Uferanwesen des Microsoft-Gründers und damaligen Eigentümers der Bildagentur Corbis heranschwamm. In einem mit Schreibmaschine verfassten offenen Brief kommentierte Sekula darauf Gates’ 30-Millionen-Dollar-Kauf eines Gemäldes von Winslow Homer zweier dem Tod geweihter Fischer im Meer („Lost on the Grand Banks”, 1885), das zwar im Privathaus des Milliardärs hing, aber nicht im Netz aufzufinden war. Bill Gates wurde so als Vorreiter des neuen Paradigmas des globalen Archivars entlarvt, der die Bildströme durch digitale Reproduktion zu steuern suchte. Entgegen dem Versprechen des Internets – „the archive of everything for everybody” – zwängte er den Bildverkehr in ein Lizenzkorsett und erklärte diesen zum Privateigentum.
Ausgehend von Sekulas Brief widmet sich die Ausstellung „When you're on the Net, are you lost? Or found? And the rest of us—lost or found—are we on it, or in it?” den ambivalenten Dynamiken, die dem postfotografischen Bildreservoir und dem Wandel von der Speicher- zur Übertragungskultur zugrunde liegen. Dieses digitale Archiv eröffnet die Möglichkeit des kontinuierlichen Einschlusses von Angeeignetem und Abgelegtem; es schafft alternative Kreisläufe und entzieht sich den Ordnungen der kommerziellen oder institutionellen Indienstnahme. Gleichzeitig birgt es die Fähigkeit, im Akt des Bewahrens und Exponierens Bildmaterial auch außer Sichtweite zu halten und Unerwünschtes in Vergessenheit zu bringen.
Die Künstler*innen gehen in ihren Arbeiten dem konstituierenden Gefüge von Bedeutung, Instrumentalität und Performativität des ausgestellten Bildes nach, das, getragen von Diskurs und Ideologie, zwischen Subjektivität und Objektivität existiert. Bei vielen der präsentierten Arbeiten rückt weniger das Bildzeichen, als der Akt des Schauens in den Vordergrund. Die Vorstellung, Realität als Bild repräsentieren und bewahren zu können, wird hierbei entkräftigt, um das Wahrnehmbare, Denkbare und Machbare zu hinterfragen. So erfordert die Interpretation von Bildern nach Ariella Azoulay „multiple Kollaborationen, wobei jedes der eigenen Bilder eines Tages meist durch den Blick anderer als das fehlende Bild erscheinen kann”.