Mit über fünfhundert Arbeiten bildet Oskar Kokoschkas druckgrafisches Werk eine zentrale Gruppe in der Sammlung des Museum der Moderne Salzburg. Dieser Werkgruppe wird nach langer Zeit wieder eine umfassende Schau gewidmet. Ausgehend von seinem umstrittenen Frühwerk spannt die Ausstellung einen Bogen über die Porträts aus der Dresdner Zeit bis hin zu seinem Spätwerk, das ihn als Bewunderer der griechischen Kunst und Kultur ausweist, und verortet die einzelnen Werkgruppen in ihrem zeithistorischen Zusammenhang.
Oskar Kokoschka (1886 Pöchlarn, AT – 1980 Montreux, CH) gilt gemeinsam mit Egon Schiele als Hauptvertreter des österreichischen Expressionismus. Sein Werk ist geprägt von den gesellschaftlichen und politischen Umbrüchen seiner Zeit. Ausgangspunkt der Ausstellung sind Kokoschkas Arbeiten für die Wiener Werkstätte. Mit seinem Bühnenstück Mörder, Hoffnung der Frauen sorgte er auf der Internationalen Kunstausstellung in Wien 1909 für einen Skandal. Die männliche Verunsicherung angesichts der weiblichen Emanzipationsbestrebungen im Wien der Jahrhundertwende spiegelt sich in zahlreichen Arbeiten, in denen Kokoschka seine konfliktreiche Beziehung zu Alma Mahler künstlerisch verarbeitete, wider.
Nach seiner Trennung von Alma Mahler meldete sich Kokoschka freiwillig zum Kriegsdienst. Aufgrund seiner Erlebnisse und Verwundungen wandelte sich der Künstler zum Pazifisten. Die Farblithografie Das Prinzip aus dem Jahr1918 macht deutlich, wie nahe Brüderlichkeit und Brudermord beieinander liegen. Vor den Nationalsozialisten, die sein Werk als „entartet“ diffamierten, musste Kokoschka nach England fliehen. Wie so viele Künstler_innen kehrte er nach Kriegsende nicht mehr nach Österreich zurück, sondern ließ sich in der Schweiz nieder. Unter dem Eindruck der Niederwerfung des ungarischen Aufstands durch sowjetische Panzer entstand 1956 das Blatt L’Enfant de Bethléem, das auch unter dem Titel Madonna im Straßenkampf bekannt ist. Mit lithografischen Zyklen zu Themen aus der klassischen Mythologie huldigte Kokoschka in seinem Spätwerk dem antiken Erbe, dessen Bedeutung er nicht nur in ästhetischen, sondern auch in ethischen Kategorien maß.