Die Geschichte kolonialer Gewalt wird auf sehr unterschiedliche Weise erinnert. Sie betrifft die individuelle und kollektive Erinnerung von Nachkommen der Opfer. Sie ist eng mit Museen und Sammlungen verbunden, in denen menschliche Überreste und Objekte aus den ehemaligen Kolonien aufbewahrt werden. Sie ist Teil der Geschichte der Universitäten – einschließlich der Humboldt-Universität – wo Sammlungen beforscht wurden, die zur wissenschaftlichen Begründung von Kolonialismus und Rassismus beigetragen haben.
An was erinnert wird, wie das geschieht und wo die materiellen Zeugnisse aufbewahrt werden, hängt davon ab, wer spricht. In vier Kapiteln zeigt "The Dead, as far as [ ] can remember" die Vielfalt des Wissens und die Kontroversen über die Kolonialgeschichte mit transnationalen Stimmen aus der Vergangenheit und Gegenwart, bildenden und darstellenden Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen, Museumsmitarbeiterinnen und dekolonialen Aktivistinnen.
Die Ausstellung wird ergänzt durch ein Rahmenprogramm mit Performances, Vorträgen und Diskussionen, die den aktuellen Stand der Forschung an der Humboldt-Universität mit außeruniversitären Perspektiven in Verbindung bringen.
In Old Moshi, Tansania, wird ein Kopf vermisst. Chief Mangi Meli kämpfte dort gegen die deutsche Kolonialmacht und wurde im Jahr 1900 hingerichtet. Sein Kopf, so erzählt man sich bis heute, sei nach Deutschland verschifft worden. Felix von Luschan hortete damals tausende Schädel aus aller Welt für die ‚Rassenlehre‘ im Völkerkundemuseum. Noch immer lagern viele davon in Berlin, auch aus Old Moshi. Mangi Melis Enkel sucht seit 50 Jahren nach dem Haupt seines Großvaters, bis jetzt ohne Erfolg. Doch Spuren von Mangi Meli finden sich in Liedern, Erzählungen und Archiven. Ein tansanisch-deutsches Team entwickelt daraus eine Videoskulptur, ein Animationsfilm zeichnet das Leben des Freiheitskämpfers, seinen gewaltsamen Tod und die mögliche Reise seines Kopfs nach. Historische Fotos und Dokumente ergänzen die Ausstellung. Mangi Meli Remains wird von Berlin über Dar Es Salaam nach Old Moshi reisen und dort am Originalschauplatz dauerhaft an Mangi Meli und das Fehlen seines Haupts erinnern.
Methoden des Sammelns, Messens, Kategorisierens, Lagerns und Darstellens von Schädeln, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert entwickelt wurden, waren in Kolonialismus und wissenschaftlichen Rassismus verwickelt. Anthropometrie, ‚Typen‘ und andere Formen der anthropologischen Fotografie - entwickelt als Werkzeuge zur Messung, Klassifizierung und Rassifizierung der Lebenden - hatten neben der Erforschung der Überreste der Toten Konjunktur.
Dead Images untersucht das komplexe und strittige Erbe zweier Sammlungen, die in der Anthropologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien aufbewahrt werden. Eine dieser Sammlungen besteht aus über 40.000 menschlichen Schädeln. Innerhalb dieser Sammlung ist eine zweite Sammlung von über 50.000 anthropologischen Fotografien untergebracht. Durch multidisziplinäre Forschung, eine Wanderausstellung, ein Bildungsprogramm und öffentliche Veranstaltungen reflektiert das Dead Images die ethischen, wissenschaftlichen und politischen Implikationen solcher Sammlungen und ihrer Ausstellung.
Im Spätsommer 1919, kurz nach Deutschlands endgültigem Verlust seiner Kolonien, tritt ein junger Ostafrikaner namens Mdachi bin Sharifu in mehreren Städten als Redner über »Unsere koloniale Vergangenheit« auf. In Berlin, Erfurt und Hamburg ist es das erste Mal, dass ein Schwarzer diesbezüglich das Wort ergreift. Doch nicht allein deshalb rufen seine Auftritte im ‚weißen‘ Publikum heftige Reaktionen hervor. Nach der regierungsseitigen Unterdrückung einer Petition der afro-deutschen Community um Martin Dibobe aus Kamerun geht Sharifu nun sowohl mit dem deutschen Kolonialregime als auch mit dem anhaltenden Kolonialrassismus in Deutschland öffentlich ins Gericht. Ausgehend von ausgewählten Fotografien aus der Sammlung des Plantagenbesitzers Karl Vieweg, welche die Botschaft Tansanias dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hat, hinterfragt der Raum von Berlin Postkolonial den langlebigen Mythos von der Loyalität der Kolonisierten zum deutschen Kaiserreich.
Bis heute prägt Kolonialrassismus das Zusammenleben der Menschen weltweit. Dennoch und gerade deshalb findet das Thema in Europa und den USA wenig Beachtung: Nicht gern spricht der Westen über die Zeit seiner gewalttätigen Expansion, über Versklavungshandel und Genozid – schon gar nicht mit den Nachfahren der Kolonisierten selbst.
Just Listen ist ein Kooperationsprojekt von Studierenden der Freien Universität Berlin in Zusammenarbeit mit Leftvision und Berlin Postkolonial und soll einen Anstoß geben, sich mit der Geschichte und den Kontinuitäten des Kolonialismus kritisch zu beschäftigen. Das Projekt stellt daher die Perspektiven von Rassismus Betroffener in den Mittelpunkt. Aktivistinnen und Expertinnen, die sich seit vielen Jahren für eine verantwortungsvolle Auseinandersetzung mit Kolonialismus und Rassismus einsetzen, gehen in Interviews auf wichtige Fragen zum Umgang mit der deutschen Kolonialzeit und der gemeinsamen Aufarbeitung ein.