Die Revolution im Winter und Frühjahr 1918/19 entschied sich in den Straßen der Reichshauptstadt Berlin. Mit Demonstrationen vor Reichstag und Schloss feierten die Berlinerinnen und Berliner am 9. November 1918 die Abdankung des Kaisers, im Zeitungsviertel wurden im Januar 1919 aus Druckpapierrollen die Barrikaden der Spartakisten gegen die anrückenden Regierungstruppen errichtet, über die Frankfurter Allee zog nach dem Ende der Kämpfe der große Trauerkondukt zum Friedhof in Friedrichsfelde. Mit dabei waren immer die Pressefotografen, die mit ihren großen Plattenkameras die Redner in der Menge, die Soldaten hinter den Maschinengewehren, die Plakatwagen der Parteien für die Wahlen zur Nationalversammlung sowie die zerstörten Häuser und verwüsteten Plätze aufnahmen. Doch gleichzeitig ging der Alltag in der Stadt weiter, besuchten die Menschen die vielen Kinos mit ihrem expandierendem Filmangebot, amüsierten sich in Revuen und Kabaretts, tanzten Two-Step und Foxtrott. Die Ausstellung im Museum für Fotografie zeigt gleichermaßen eine fotografische Bildgeschichte der Revolution in Berlin wie ein Panorama der Unterhaltungskultur dieser Monate.
In den ersten Tagen der Revolution waren die Gebrüder Otto und Georg Haeckel die wichtigsten Pressefotografen. Als erfahrene Kriegsreporter begleiteten sie reaktionsschnell die spontanen Kundgebungen Unter den Linden und vor dem Schloss. Die Fotografen arbeiteten ohne Auftrag und boten Verlagen wie Mosse oder Ullstein ihre Aufnahmen an. Belege von den Kampfhandlungen selbst gibt es nur wenige. Eher stellten die Fotografen in den Kampfpausen Szenen mit Soldaten mit schussbereiten Waffen oder an den Barrikaden nach. Von Willy Römer sind die meisten Aufnahmen der Revolution in Originalkontaktabzügen überliefert. Eine seiner Fotografien entstand sogar unmittelbar vor seiner eigenen Festnahme durch einen Trupp Spartakisten.
In den Kinos berichteten die Wochenschauen deutschlandweit von den Kundgebungen und Demonstrationen in Berlin, brachten Film-Porträts der Minister der neuen Reichsregierung und zeigten als Beweis für die wieder hergestellte Ordnung Alltagsszenen aus den Straßen der Hauptstadt. Gleichzeitig warben sie für die Nationalversammlung. Aufgrund der längeren Produktionsabläufe boten die Spielfilme im Winter 1918/19 noch keinen Reflex auf die Revolution. Doch ermöglichte die Aufhebung der Zensur die Produktion neuer, gewagter Filme, die sich etwa gegen die strafrechtliche Verfolgung Homosexueller richteten.
Als Reaktion auf das Ende des Krieges und ohne zunächst den Gefahren der Revolutionskämpfe Rechnung zu tragen, herrschte im Winter und Frühjahr 1918/19 in Berlin eine beispiellose Vergnügungssucht. Neben Opernhäusern und Sprechtheatern frequentierten die Berlinerinnen und Berliner die populäreren Operetten- und Revuetheater, die Kinos, aber auch Ballhäuser oder Kaschemmen, um dort zu tanzen. Dabei gab es auch Revuen, die tagesaktuell auf Themen wie die Wohnungsnot und die Streiks reagierten. Die Misere der Kriegsinvaliden war gleichfalls ein Sujet der populären Musik. In dem Lied Bein ist Trumpf aus dem Jahr 1919 wird das Schicksal vieler kriegsversehrter Männer angesprochen: der Tanz mit dem Holzbein oder der Prothese im Getriebe eines sich immer weiter drehenden Weltgefüges.