Eine Ausstellung von Antje Majewski mit Agnieszka Brzeżańska & Ewa Ciepielewska, Carolina Caycedo, Paweł Freisler, Olivier Guesselé-Garai, Tamás Kaszás, Paulo Nazareth, Guarani-Kaiowa & Luciana de Oliveira, Issa Samb, Xu Tan, Hervé Yamguen.
Kann eine Muschel mir ein Lied vorsingen? Kann ein Mensch eine Schlange sein? Kann ein Baum meine Mutter oder mein Vater sein? Kann ich mich mit einem Fluss unterhalten? Kann ein Huhn mir helfen, mit meinen Vorfahren zu sprechen? Gibt es Menschen, die wie Vögel singen können? Kann mein Apfelbaum mich um Hilfe bitten? Können mir Waldtiere zeigen, wie ich überleben kann? Kann ich Insekten auf einer Brache inmitten der Großstadt zuhören?
Die kollaborativ und transdisziplinär arbeitende Künstlerin Antje Majewski (geb. 1968 in Marl, Deutschland) hat Kolleginnen und Kollegen aus Brasilien, China, Frankreich, Kolumbien, Kamerun, Polen, dem Senegal und Ungarn eingeladen, sich auf poetische Weise mit den wechselseitigen Beziehungen zwischen Menschen und anderen Lebewesen auseinanderzusetzen. Diese Interaktionen sind Thema der Ausstellung im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin.
Das Projekt und sein Titel entwickelten sich aus einem Gespräch zwischen Antje Majewski und dem senegalesischen Maler, Bildhauer, Performancekünstler, Dramatiker und Dichter Issa Samb unter den Bäumen seines Hofs in Dakar. Leider leben heute Issa Samb ebenso wie seine Bäume nicht mehr, doch das Gespräch setzte einen Prozess, eine gemeinsame Untersuchung in Gang. Es war der Beginn von Begegnungen, Reisen und Diskussionen zwischen Majewski und den eingeladenen Künstlerinnen und Künstlern.
How to talk with birds, trees, fish, shells, snakes, bulls and lions nimmt die Interaktionen von KünstlerInnen mit bedrohten Orten, Gemeinschaften und Lebenswelten zum Ausgangspunkt. Die gezeigten Arbeiten konzentrieren sich auf konkrete Orte, die zerstört oder verändert wurden oder ernsthaft gefährdet sind – durch kapitalistische oder kolonialistische Eingriffe oder andere durch Menschen verursachte Schäden. Videoarbeiten, raumgreifende Installationen, Skulpturen, Manifeste, Gedichte, Fotografien, Zeichnungen und Gemälde zeigen empfindliche sozial-ökologische Systeme, von denen Menschen immer ein Teil sind. Die KünstlerInnen sprechen Positionen aus, die sich im Widerspruch zur heute vorherrschenden Art des Umgangs mit der Umwelt befinden: von feministischen, dekolonialisierenden, oder situationistischen Standpunkten aus, und mit Vorschlägen für ein radikal antikapitalistisches Zusammenleben von Menschen, anderen Lebewesen und Materie.
Die Betonung auf „Sprechen“ und „Reden“ wirft die Frage auf, wie und für wen Bedeutung geschaffen und übermittelt wird. Das Konzept der „Bedeutung“ in der westlichen Wissenschaft erscheint in besonderem Maße „menschlich“, da die meisten semiotischen Kommunikationsformen eine menschliche Denkweise voraussetzen. Doch Sprache ist nur eine Ausdrucksweise in der planetarischen Semiose. Wie andere bedeutungsschaffende Handlungen ist Sprache in der Umwelt und in all den Lebewesen, die von ihrer Umwelt abhängig sind, verankert. Das Gespräch mit Vögeln, Bäumen, Fischen, Muscheln, Schlangen, Stieren und Löwen erfordert große Aufmerksamkeit für verschiedene Stimmen und Aufgeschlossenheit gegenüber dem Klang von Sprachen, die wir vielleicht nicht verstehen. Um diese Kommunikation zu erreichen, müssen Grammatik und Stilregime ausgesetzt werden, um dem Gemurmel und Nachhall, den Wiederholungen und Pausen zu lauschen. Wir müssen lernen, anderen Wesen zuzuhören und mit Empathie, Aufmerksamkeit und Liebe zu begegnen.