Surrealismus – ein magischer, verheissungsvoller Begriff. Wir denken an die schmelzenden Zifferblätter von Salvador Dalí, die Traumfiguren von René Magritte oder die geheimnisvollen Landschaften von Max Ernst. Aber gibt es einen Schweizer Surrealismus?
Diese erste grosse Übersichtsausstellung zum Thema beantwortet die Frage mit 400 ausgesuchten Werken von rund 60 Schweizer Künstlerinnen und Künstlern.
Im Zentrum des Interesses steht die Entwicklung dieser künstlerischen Haltung in der Schweiz der 1920er- bis 1950er-Jahre. Der Einbezug von ausgewählten Positionen nachfolgender Generationen veranschaulicht zudem die bis heute ungebrochene Aktualität surrealistischer Bildfindungen. Die einzelnen Ausstellungssäle sind den surrealistischen Schlüsselthemen gewidmet. Sie erzählen von Träumen und Fantasien, vom Körper als Objekt der Begierde oder Sinnbild von existenzieller Bedrängnis, Schrecken, Krieg und Tod, ebenso wie von spirituellen Ordnungen, vom Kosmos und der Natur als Metapher für Leben und Wachstum.
Der Surrealismus hat sich im Paris der Zwanzigerjahre im Kreise des Schriftstellers André Breton entwickelt. Im Unterschied zu anderen avantgardistischen Strömungen zeichnet er sich weniger durch formale Merkmale, als durch eine dezidiert künstlerische Haltung aus. Verdrängte Themen, Ängste, Wünsche, Gedanken und Fantasien sollen in Anlehnung an Freuds Psychoanalyse oder mittels Techniken wie Traumprotokollen oder der écriture automatique unmittelbar zum Vorschein gebracht werden.
Verschiedene Schweizer haben den internationalen Surrealismus mitgeprägt, sei es als Vorläufer wie Paul Klee oder Hans Arp, sei es als Mitglieder der Bewegung in Paris wie Alberto Giacometti, Serge Brignoni, Kurt Seligmann, Meret Oppenheim und Gérard Vulliamy. Sie schlugen zugleich Brücken zur Schweizer Kunstszene und beteiligten sich an der Gründung progressiver Künstlergruppen in der Schweiz wie der Basler Gruppe 33 oder 1937 der allianz (Vereinigung Moderner Schweizer Künstler).
Mehr noch als in Frankreich stiessen die Surrealisten in der Schweiz auf heftige bürgerliche Kritik. Die Dreissigerjahre waren hier von einem konservativen Klima geprägt. Das offizielle Kunstschaffen hatte sich dem Credo einer «nationalen Erneuerung» und «geistigen Landesverteidigung» unterzuordnen. Dieser Verdrängungshaltung verweigerten sich die Surrealisten ausdrücklich.