In seiner ersten grossen Einzelausstellung im Kunstmuseum Basel widmet sich Theaster Gates (*1973) dem Kult um die Ikone der Schwarzen Madonna. Die Ausstellung Black Madonna erstreckt sich auf zwei Gebäude des Kunstmuseums und umfasst zahlreiche neue Arbeiten, die der Künstler aus Anlass der Ausstellung geschaffen und zum Teil in Auseinandersetzung mit der Sammlung des Kunstmuseums entwickelt hat. In Kooperation mit lokalen und internationalen Partnern wird ein vielseitiges, ausstellungsbegleitendes Eventprogramm angeboten.
Theaster Gates’ künstlerische Praxis umfasst viele Genres und Materialien, von urbanen Interventionen über Performance bis zur Keramik. Seine Absicht ist es, den Abstand zwischen Kunst und Gesellschaft zu überbrücken und in Zusammenarbeit mit kulturellen und urbanen Gemeinschaften soziale, politische und spirituelle Veränderungen zu bewirken.
Einer der Ausgangspunkte für das Ausstellungsprojekt in Basel war Gates' Interesse an Darstellungen schwarzer Madonnen: Die dunkelhäutigen Statuen und Bildnisse der Jungfrau Maria gehören bis heute zu den meistverehrten in Europa. Den im byzantinischen Stil gehaltenen Ikonen werden Votivgeschenke dargeboten, sie werden gekleidet und üppig geschmückt, in Schreinen bewahrt und in Prozessionen umhergetragen. Im Rahmen seiner Ausstellung Black Madonna befragt Theaster Gates diese faszinierende Figur auf ihre politischen, ästhetischen und metaphorischen Bedeutungsebenen hin.
Die Rezeptionsgeschichte schwarzer Madonnen ist komplex, nicht zuletzt aufgrund signifikanter historischer Wandlungen. Eine der wohl wichtigsten Zäsuren muss im 19. Jahrhundert gesetzt werden, als diese sakralen Objekte nicht mehr als schwarze Darstellungen Mariens, sondern als Darstellungen einer schwarzen Maria interpretiert wurden. Ursprünglich wurde die dunkle Hautfarbe als Marker von Authentizität, als Hinweis auf das hohe Alter und die mögliche Herkunft der Ikone aus dem Osten betrachtet, oder als Beweis der Jahrhunderte währenden Verehrung der Ikone angesehen, da man davon ausging, dass der Rauch abertausender Kerzen das Bildnis schwarz gefärbt hätte.
Zu Beginn des 20. Jahrhundert wurde die dunkle Farbe einiger Mariendarstellungen verstärkt als Hinweis auf Ethnizität und ‚Rasse‘ gewertet. In den USA hat die Schwarze Madonna im Verlauf des 20. Jahrhunderts als Ikone im Umfeld der Black Power-Bewegung ihren Auftritt. Sie ist ein Beispiel für die Gratwanderung zwischen religiösem und politischem Diskurs, die viele kulturelle und Bürgerbewegungen in den USA kennzeichnet.
Theaster Gates‘ neue Arbeiten nehmen Bezug auf diese lange und komplexe Geschichte. Seine Idee der Black Madonna ist facettenreich und dabei äusserst persönlich gefärbt. Als Galionsfigur der Ausstellung vereint die Black Madonna Objekte, Installationen und Performances, wobei Fragen nach der Macht und der Verbreitung von Bildern und nach Konzepten und Rezeption von ‚Rasse‘ und Schönheit in den Fokus geraten. Auf beinahe archäologische Weise nähert sich Gates der Kulturgeschichte dieses Symbols und schlägt zugleich eine alternative Genealogie vor. Im Rahmen der Ausstellung erweitert er den Wirkungskreis der schwarzen Madonna hin zur gegenwärtigen Bedeutsamkeit und transformativen Macht weiblicher Figuren in Politik, Gesellschaft, Popkultur und im Alltag. Auf diese Weise werden Michelle Obama, Aretha Franklin und Beyoncé zu zeitgenössischen Inkarnationen der Black Madonna.
Kooperationen mit Künstlern, Architekten, Wissenschaftlern und Musikern waren stets ein wichtiger Bestandteil von Gates‘ Arbeit. Dieser ganzheitliche Herangehensweise folgend hat das Kunstmuseum Basel ein vielfältiges Programm entworfen, das die Funktion des Museums als Erfahrungsort hervorheben soll. Die Ausstellung wird als Plattform für Kontemplation, Forschung, Debatten und Konzerte aktiviert. In der Absicht, noch enger mit Kollegen und Institutionen vor Ort zusammen zu arbeiten, haben Kunstmuseum Basel und Theaster Gates Projekte mit Institutionen wie dem Jazzcampus Basel, der Basler Papiermühle und dem Basler Münster ins Leben gerufen.
Das aus Performances, musikalischen Improvisationen, Aufnahmesituationen und Echtzeitaktivitäten bestehende Programm wird sich über die gesamte Dauer der Ausstellung erstrecken. Es ist auf dramaturgische Art und Weise strukturiert und besteht aus drei Akten. Mit dem ersten Akt – «The Opening» – feiert der Künstler mit seinen Kooperationspartnern die Eröffnungswoche der Ausstellung. Im Zentrum der Festivitäten steht das grosse Eröffnungskonzert von Theaster Gates und seiner Band, den Black Monks of Mississippi. Der zweite Akt, betitelt mit «Rituals and Meditations», wird aus Improvisationen, Proben und musikalischen Duetten bestehen, die in enger Zusammenarbeit mit dem renommierten Jazzcampus Basel entstehen. Der dritte Akt – «Dissemination and Propaganda» – bildet den Abschluss der Ausstellung und wird sich unter anderem in einer sonntäglichen Predigt manifestieren (eine Zusammenarbeit mit dem Basler Münster). Mit dieser symbolischen Geste soll die Ausstellung aus den Räumen des Museums «befreit» werden und damit über den Rahmen Institution hinausweisen.
Black Madonna ist ein mehrteiliges Projekt, aus dem Theaster Gates 2018 vier eigenständige, aber inhaltlich verwandte Austellungsprojekte für vier europäische Institutionen entwickelt. Black Madonna wird im Kunstmuseum Basel (9. Juni – 21. Oktober 2018), im Sprengel Museum Hannover (Kurt Schwitters Preis, ab dem 22. Juni 2018), in der Fondazione Prada, Mailand (September 2018 – Januar 2019) und im Haus der Kunst, München (ab Oktober 2018) zu sehen sein. Theaster Gates sagt über das Projekt: «The spirit of reproducibility and dissemination is very important in this project, made evident in the fact that these four venues will all show parts of the DNA of this idea of the Black Madonna. I’m very excited that this summer and fall, at the Kunstmuseum Basel, Sprengel Museum, Fondazione Prada and Haus der Kunst, I get to posit different kinds of questions, in very different places, to show the varying ways that I’m thinking about her.»