Code Switching and Other New Work ist eine Einzelpräsentation neuer und bestehender Arbeiten der in Montreal lebenden Künstlerin Nadia Myre, kuratiert vom Glasgower Kuratorenduo Mother Tongue (Tiffany Boyle und Jessica Carden). Anhand der Geschichte der Tonpfeifenproduktion in London und Glasgow, enthüllt Myres Werk auf poetische Weise die Verstrickung zwischen dem britischen Empire, Kanada und den indigenen Völkern. Während des Tabakhandels mit der so genannten Neuen Welt kamen die Pfeifen, sozusagen als Nebenprodukt, als eines der ersten Einwegartikel auf den Markt und wurden mit vorgefüllten Tabak vermarktet. Myres neue Arbeiten erforschen Prozesse der Prägung, Dokumentation, Webtechnik und Ausgrabung, um nachhaltige Fragen rund um koloniale Hinterlassenschaften zu stellen.
Der europäische Kontakt mit der Neuen Welt in den 1600er Jahren führte zu einer Zunahme des Tabakkonsums in Großbritannien und zum Entwurf der Tonpfeifen bestehend aus einer Mulde und länglichen Stil, eine überarbeitete Version der von den indigenen Völkern verwendeten Behältnissen. Während des Tabakrauchens wurde die Tonpfeife stufenweise abgebrochen. Es gab eine Reihe von Produktionszentren in Großbritannien, darunter Glasgow und Bristol. Schottlands Produktion hat ein besonderes Monopol auf den Export in großen Mengen an Konzerne wie die Hudson Bay Company, die während der frühen Kolonialzeit de facto große Teile Nordamerikas beherrschte. Die Scherben dieser Tabakpfeifen, die in großen Mengen zu finden sind, sind archäologisch bedeutsam, denn Sie helfen dabei die Fundorte zu datieren. Die ausgegrabenen Scherben sind zugleich außergewöhnliche Gegenstände von historischer Bedeutung, in ihrer Anzahl jedoch fast alltäglich. Es scheint als besäße ein so einfaches Objekt wenig wirtschaftlichen Wert.
Nadia Myre ist bildende Künstlerin aus Quebec und Mitglied der Kitigan Zibi Anishinabeg First Nation. Im Jahr 2015 begann sie mit Forschungsausgrabungen an den Ufern der Themse, bei denen sie Schalen und Stiele von Tonpfeifen entdeckte. Dabei wurden Knochen und Zähne manchmal zunächst mit Tonpfeifenstielen und -fragmenten verwechselt, die die Lebensgeschichten dieser Gegenstände zu erzählen scheinen. Ebenso erinnern die Scherben in ihrer vorgefertigten, perlenartigen Form an das Wampum, welches die Ureinwohner bis heute beim Weben verwenden.
Code Switching and Other Work ist ein einschlägiges Werk welches den Betrachter dazu einlädt, zu hinterfragen wie unsere gemeinsame Vergangenheit das gegenwärtige Verständnis voneinander noch heute beeinflusst. Durch die museale Präsentation indigener und europäischer Keramik, hochauflösenden Scans, Fotografien und Skulpturen regt die Künstlerin zu zeitgemäßen Diskussionen über indigene Rechte und Ihre Zukunft an.
Myre’s Forschung und Arbeit konzentriert sich auf interkulturelle Erfahrung und Vermittlung als Strategie zur Anerkennung und Rückgewinnung indigener Kunst und Kulturproduktion. Ebenso untersucht Code Switching and Other Work die Ausdrucksweise und Macht der musealen Darstellungsformate und die daraus resultierende Wissensgewinnung, indem rekonstruierte und repräsentative historische Objekte zur Schau gestellt werden.
Im weiteren Sinne, setzt sich die Künstlerin auch mit der Rolle des Handwerks in ihrer künstlerischen Praxis auseinander, indem sie die Betrachtungsweise und Positionierung des Handwerks in Frage stellt.