Der Ausstellungstitel deutet es schon an: Lumière (französisch für Licht) muss ein wesentlicher Bestandteil der zu sehenden Werke sein, sei es in inhaltlicher Hinsicht oder auch auf der materiellen Ebene. Man könnte sofort an Lichtkunst denken – und liegt nicht ganz falsch.
Betritt man den Ausstellungsraum, so dürfte auf der linken Raumseite das große fünfteilige Kunstwerk installiert sein (je 200 x 114 cm) und ihm gegenüber eine Gruppe kleinformatiger Kunstwerke. Alle sind aus kräftigem Papier gefertigt. Die Künstlerin bedarf nur der bildnerischen Vision, eines Skalpells und der physischen Krafteinwirkung auf Papier und schon entstehen in tagelangen Arbeitssitzungen ihre papiernen Kunstwerke, die sie allesamt mit Lumière bezeichnet.
Es sind Gebilde, die vor der Wand in einem optischen Schwebezustand inszeniert sind, die ein Meer von kreisrunden Medaillons in unterschiedlicher Größe beherbergen, wobei die Negativräume zwischen den Scheiben freigeschnitten sind. Die Medaillons sind alle als konkave Scheiben mit Krafteinwirkung in den Papiergrund gedrückt und bilden somit ein Relief. Betrachtet man dieses Relief längere Zeit, erfolgt unvermittelt ein Umkehrungsprozess und die nach hinten gehenden, konkaven 'Teller' werden plötzlich zu konvexen, also uns entgegen kommenden plastischen Scheiben. Sie unterstreichen das Moment der Leichtigkeit, des Schwebens, das durch die Inszenierung vor dem Wandgrund bereits angelegt ist.
Es sind visuelle Umbrüche, die unvermittelt geschehen, aber keine Unruhe oder Chaos suggerieren. Im Gegenteil. Die Geballtheit der Formen, fein aufeinander abgestimmt, verleiten den Betrachter zum Innehalten. Das Kunstwerk wird zur Meditationsfläche, zum Meditationsrelief. Die negativen freigeschnittenen Zwischenräume erscheinen dunkel, geben sie den Blick frei nach hinten in den verschatteten Raum vor der Wand. Installiert die Künstlerin jedoch unterhalb der Papierbahn eine Lichtquelle, wird dieser Zwischenraum erleuchtet und verstärkt den Schwebezustand der konkaven oder konvexen Scheiben. Der hintere Raum beginnt zu leuchten. Lumière!
Bei den kleinen Formaten sind die Scheiben freigelegt und im Zentrum vor einer fast quadratischen Rückwand von 26 x 24 cm aus dem gleichen Material in unterschiedlichen Formationen arrangiert. Auch hier beeindruckt die Leichtigkeit des zum Objekt gewordenen Scheibenensembles und lässt diese ebenso elegant schweben.
Den Wandarbeiten ist eine biomorphe Skulptur auf einem Sockel im Raum zugeordnet. Obwohl sie fast 5 kg wiegt, dominiert auch hier der Eindruck von Leichtigkeit. Bright cell 2018-VIII ist ein zellenähnliches Gewerk von 20 x 28 x 26 cm, das aus Kameralinsen und Spiegeln besteht. Die sichtbare Oberfläche, in der die runden Glaslinsen eingelassen sind, besteht aus blauem Wildleder über einem stabilen tektonisch-organoiden Gerüst. Der Blick ins Innere dieser Zelle öffnet sich in die Unendlichkeit und saugt das Umgebungslicht hinein. Ein lichthelles Zentrum entsteht, das zu definieren unmöglich wird, denn die Integration von Spiegeln im Inneren multiplizieren die (Licht-)Räume ins Unendliche.Bright Cell.
Lumière, der Titel der Ausstellung ist Programm. Alle Werke von Hitomi Uchikura zeichnen sich durch die Faszination von Licht und dem bildnerischen Spiel mit ihm aus. Die aktuelle Einzelausstellung Lumière von Hitomi Uchikura wird im nebenliegenden Straßen-Salon begleitet von der Einzelausstellung Faltzeichnungen von Takayuki Daikoko. Auch dieser zeigt eine Werkgruppe, die auf Papier gründet. Ein ganz anderes künstlerisches Ergebnis ist sichtbar, ein anderer künstlerischer Ansatz ist zu erleben, und doch zeigen beide Künstler, wie sehr Papier als künstlerisches Material und Inspirationsquelle in der japanischen Kultur verhaftet ist.